Eingriff in den Arbeitsmarkt: Auch der Nationalrat will verschärfte Haftung des Erstunternehmers

6. Dezember 2012 News

Nach dem Ständerat will auch der Nationalrat die Haftung der Erstunternehmer für ihre Subunternehmer im Bauhaupt- und Baunebengewerbe verschärfen. Dieser Eingriff in das schweizerische Vertragsrecht wird den Einsatz von Subunternehmen generell behindern und vor allem den KMU schaden. Zur Schadensbegrenzung braucht es jetzt praxistaugliche Umsetzungsregeln.

Der Nationalrat hat mit wenigen Detail-Abweichungen den ständerätlichen Entscheid zur Verschärfung der Haftung der Erstunternehmer im Bauhaupt- und Baunebengewerbe übernommen. Demnach haftet der Erstunternehmer zivilrechtlich für die Nichteinhaltung der Netto-Mindestlöhne und der Arbeitsbedingungen gemäss Artikel 2 Absatz 1 des Entsendegesetzes durch alle seine Subunternehmer.

Voraussetzung dieser Haftung ist, dass der Subunternehmer zuvor erfolglos belangt wurde oder nicht belangt werden kann. Zudem kann sich der Erstunternehmer von der Haftung befreien, wenn er nachweist, dass er bei der Vergabe und Weitervergabe der Arbeiten die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in Bezug auf die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen angewendet hat. Die Sorgfaltspflicht wäre namentlich erfüllt, wenn sich der Erstunternehmer von den Subunternehmern die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen anhand von Dokumenten und Belegen glaubhaft darlegen lässt.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband bekämpfte diese Verschärfung der Erstunternehmer-Haftung aus verschiedenen Gründen:

  • Es fehlt ein klarer Nachweis des Handlungsbedarfs und des darauf ausgerichteten Nutzens der verschärften Erstunternehmerhaftung.
  • Der Ausbau einer flankierenden Massnahme mutiert zum tiefgreifenden Eingriff ins allgemeine schweizerische Arbeitsvertrags-, Auftrags- und Werkvertragsrecht.
  • Die Verschärfung der Solidarhaftung bringt dem Erstunternehmer einen grossen zusätzlichen administrativen Aufwand und/oder unbeherrschbare Risiken. Der vorgesehene Rechtfertigungsgrund hat wegen der Kettenhaftung auch für entfernte Subunternehmer nur theoretischen Wert.
  • Angesichts des grossen administrativen Aufwands bzw. der unkontrollierbaren Risiken werden unter dem Regime einer verschärften Solidarhaftung viele Unternehmungen auf Unterauftragsvergaben verzichten. Diese negativen Effekte werden vor allem die KMU (sowohl als Erst- wie als Subunternehmer) treffen.
  • Die Begrenzung des Geltungsbereichs auf das Bauhaupt- und Baunebengewerbe führt zu schwierigen Abgrenzungsproblemen.

Wenn die Verschärfung der Erstunternehmerhaftung auch in der Schlussabstimmung eine Mehrheit findet, muss im Sinne einer Schadensbegrenzung auf eine praxistaugliche Formulierung der Umsetzungsregeln in der Verordnung geachtet werden. Insbesondere ist die Sorgfaltspflicht des Erstunternehmers so zu präzisieren, dass er von seiner Haftung befreit ist, wenn er sich bei Vertragsabschluss die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch seine Subunternehmer glaubhaft darlegen lässt, und er nicht einen Kontrollapparat für die ganze Vertragsabwicklung aufbauen muss.