Arbeitszeiterfassung: Ein Schritt in die richtige Richtung

18. September 2012 News

Eine neue Verordnungsbestimmung zum Arbeitsgesetz soll es gewissen Arbeitnehmenden erlauben, auf die Erfassung ihrer Arbeitszeit zu verzichten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband begrüsst dies als Schritt in die richtige Richtung. Es ist wichtig, dass die Vorschriften zur Erfassung der Arbeitszeit mit den heutigen Realitäten der Arbeitswelt in Übereinstimmung gebracht werden.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Anhörung über einen neuen Artikel 73a der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) eröffnet. Dieser sieht vor, dass Arbeitnehmende, die einen grossen Gestaltungsfreiraum beim Inhalt und bei der Organisation ihrer Arbeit geniessen und über Verhandlungsmacht gegenüber ihrem Arbeitgeber verfügen, auf die Arbeitszeitaufzeichnung verzichten können. Als objektive Kriterien wurden die Lohnhöhe und der Handelsregistereintrag gewählt. Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung muss mit den betreffenden Arbeitnehmenden individuell und schriftlich vereinbart werden. Er kann jeweils per Ende Jahr widerrufen werden.

Veränderte Bedingungen in der Arbeitswelt
In den letzten Jahren wurden die Arbeitszeiten dank neuer technischer Möglichkeiten flexibilisiert. So wurde es insbesondere für verschiedene Funktionen möglich, die Arbeit auch ausserhalb des angestammten Arbeitsplatzes zu erledigen, weil die neuen Kommunikationsmittel die örtliche Präsenz zeitweise überflüssig machen.

Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitszeit ist zudem ein wichtiger Faktor, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Viele Firmen kennen heute weder feste Arbeitszeiten noch Blockzeiten, die flächendeckend für alle Mitarbeitenden anwendbar sind. Daneben gibt es aber auch weiterhin grosse Bereiche in der Arbeitswelt, in denen die Arbeitszeit durch Einsatzpläne oder Schichtpläne geregelt wird.

Parallel zur Flexibilisierung veränderte sich das Verständnis von Leistung. Nicht die reine Anwesenheit zählt, vielmehr interessiert die Arbeitsleistung; das Resultat der Arbeit steht im Vordergrund.

Diese Veränderungen in der Arbeitswelt haben in verschiedenen Firmen dazu geführt, dass die Arbeitszeit vom Arbeitnehmer selber erfasst wird oder aber ganz auf eine Erfassung verzichtet wird. Letzteres steht jedoch im Widerspruch zur ArGV 1. Auch Systeme, die lediglich die Dauer der Arbeitszeit erfassen, genügen den heutigen Verordnungs-Vorschriften nicht.

Vorschlag des Seco
Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft ist zum Schluss gekommen, dass angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt Ausnahmen vom Prinzip der strikten Arbeitszeiterfassung gerechtfertigt sind. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) unterstützt diese Haltung.

Als einfaches Abgrenzungskriterium wählte das Seco eine Lohngrenze von 175 000 Franken (jährliches Bruttoerwerbseinkommen). Der SAV hätte grundsätzlich eine Regelung bevorzugt, die beim Gestaltungsfreiraum bezüglich Inhalt und Organisation der Arbeit ansetzt. Da die griffige Definition entsprechender Merkmale schwierig ist, kann eine Lohngrenze als einfacheres Abgrenzungskriterium dienen.

Gemäss der Lohnstrukturerhebung 2010 verdienen weniger als 4 Prozent aller Arbeitnehmenden mehr als 175 000 Franken im Jahr. In diese Kategorie fallen gemäss Seco etwa 35 Prozent der Angestellten, die sich an der Ziel- und Strategiedefinition von Unternehmen beteiligen, sowie etwa 29 Prozent der Arbeitnehmenden, die höchst anspruchsvolle Tätigkeiten erfüllen. 65 respektive 71 Prozent dieser Arbeitnehmenden müssten bei einer Lohngrenze von 175 000 Franken also nach wie vor ihre Arbeitszeit detailliert erfassen.

UVG-Lohn als besseres Kriterium
Der SAV schlägt deshalb vor, die Grenze für die Arbeitszeiterfassung beim maximal versicherten Lohn nach Unfallversicherungsgesetz (UVG), das heisst bei aktuell 126 000 Franken zu legen. Dieser Betrag wird gemäss UVG so festgelegt, dass damit in der Regel der volle Verdienst von mindestens 92, aber nicht mehr als 96 Prozent der Arbeitnehmenden erfasst ist.

Würde diese Lohngrenze gewählt, wäre – im Gegensatz zum Vorschlag des Seco – am vertraglich vereinbarten Bruttolohn anzuknüpfen. Variable Lohnanteile würden nicht berücksichtigt. Gemäss Lohnstrukturerhebung bezogen die 10 Prozent der Arbeitnehmenden mit den höchsten Löhnen mehr als 10 833 Franken pro Monat und lagen damit über dem nach UVG maximal versicherten Lohn. Diese Kategorie von Arbeitnehmenden könnte auf die Arbeitszeitaufzeichnung verzichten.

Selbstverständlich bleiben die Arbeitszeitbestimmungen des Arbeitsgesetzes auch auf die von der Arbeitszeiterfassung befreiten Arbeitnehmenden anwendbar. Die Interessen der Arbeitnehmenden bleiben auch dadurch geschützt, dass der Verzicht auf die Aufzeichnung der Arbeitszeit mit jedem Arbeitnehmenden individuell schriftlich vereinbart werden muss.