Manna vom Himmel

1. Dezember 2013 Meinungen

Die Volksinitiative für ein «bedingungsloses Grundeinkommen» ist eine utopische Kunst-Installation – mit bitterem Nachgeschmack.

Was haben Ruth Schweikert, Adolf Muschg, Endo Anaconda, Linard Bardill, Martin Heller, Jürg Jegge, Hans Saner und Beatrice Tschanz (!) gemeinsam? Sie alle sind bekennende Freundinnen und Freunde der Volksinitiative für ein «bedingungsloses Grundeinkommen». Sie fordern ein solches für jede in der Schweiz lebende Person, egal ob erwerbstätig oder nicht. Für die meisten Personen soll das Grundeinkommen nicht zusätzliches Geld sein, sondern heutiges Einkommen ersetzen. Die Initiative selbst äussert sich weder zur Höhe noch zur Finanzierung. Nach den Vorstellungen der Initianten sollte das bedingungslose Grundeinkommen aber für Erwachsene bei 2500 Franken pro Monat liegen – und 650 Franken pro Kind. Eine vierköpfige Familie würde somit monatlich mehr als 6000 Franken erhalten. Das Finanzierungsvolumen beziffern die Initianten auf 200 Milliarden Franken jährlich. Rund 70 Milliarden Franken davon würden bestehende Transferzahlungen wie AHV oder IV ersetzen. Der grösste Teil der verbleibenden 130 Milliarden sei in den heutigen Erwerbseinkommen enthalten (die natürlich weiter fliessen würden). Auch die Frage des Immigrations-Anreizes müssen die Initianten nicht beantworten. Schliesslich sei die Migrationspolitik ja sowieso Gegenstand der politischen Diskussion.

Es schneite, als die Initiative am 4. Oktober 2013 auf dem Bundesplatz eingereicht wurde. Acht Millionen goldene Fünfräppler! Und wie er glänzte und schimmerte, der Bundesplatz. Eine schöne Installation. Originell, medial einwandfrei inszeniert. Da sind echte Profis, Kulturmanagerinnen und -manager am Werk. Perfekt orchestriert von Ex-Vizebundeskanzler und Ex- Bundesratssprecher Oswald Sigg, einem alten Fuchs des Politmanagements. Er liess in seinem Leben schon ganz andere gut aussehen. Seine Botschaft: Mit der Initiative soll eine Auseinandersetzung über viele grundlegende Fragen und Zusammenhänge stattfinden.

Kunst an der Volksinitiative hat gerade noch gefehlt!

Kunst ermöglicht die Auseinandersetzung mit vielem, gibt Interpretation vor und engt doch nicht ein. Das ist es, was an der Leistung von Kunstschaffenden immer wieder fasziniert. Dafür verdienen sie unseren Respekt und auch ein gutes – nicht bedingungsloses (!) – Einkommen. Beispielsweise durch Kunst am Bau. Häufig staatlich subventionierte Provokation, aber gerne gesehen, regt sie doch zur Diskussion an. Das ist gut so und gilt auch für die gewählte neue Form: die Kunst an der Volksinitiative! Es ist durchaus okay, wenn wir uns über die moderne Arbeitswelt und ihre möglichen Exzesse – wenn auch etwas gehäuft in letzter Zeit – Gedanken machen. Auch über den Wert von Arbeit lässt sich mit Fug und Recht philosophieren. Doch: Kunst an der Volksinitiative mit Geringschätzung von Erwerbsarbeit als solcher – das hat gerade noch gefehlt!

Bleibt eine Hoffnung: Die illustre Liste der bekannten Kulturschaffenden findet schon bald eine originellere Form, um ihre philosophische Diskussion auf einer geeigneteren Schiene weiterzuführen. Kunst an der Volksinitiative ist der falsche Weg und verursacht einzig unnötigen Aufwand. Sowohl die Utopie der Initianten als auch das grundlegende demokratische Volksrecht der Initiative haben Besseres verdient. Hoffen wir deshalb auf einen baldigen Rückzug der Initiative – inszeniert in Form einer nächsten gelungenen Kunst-Installation.