Vorweg die gute Nachricht aus dem neusten Jahresabschluss von Compenswiss: Die AHV weist für das Jahr 2017 ein positives Betriebsergebnis von etwas über 1 Milliarde Franken aus. Grund dafür ist das ausserordentlich gute Anlageresultat des Ausgleichsfonds von über 2 Milliarden Franken. Positives Betriebsergebnis und erfreuliches Anlageresultat können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Umlageergebnis der AHV bereits das vierte Jahr in Folge rot ist. Das Umlagedefizit hat im vergangenen Jahr sogar erstmals die Marke von einer Milliarde Franken geknackt. Damit liegt der Verlust bedenkliche 300 Millionen Franken über den Projektionen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV). Die bedrohliche strukturelle Schieflage der AHV wird mithin «Schwarz auf Weiss» erkennbar. Das ist die schlechte Nachricht, die sich bei genauerem Hinsehen offenbart.
Die bedrohliche strukturelle Schieflage der AHV wird «Schwarz auf Weiss» erkennbar.
Besonders alarmierend ist, dass die Einnahmeseite um fast 400 Millionen Franken hinter den Erwartungen zurückbleibt. Der Ausfall dürfte nicht zuletzt der rückläufigen Nettozuwanderung geschuldet sein, die 2017 deutlich unter der BSV-Kalkulation von durchschnittlich 60’000 Personen pro Jahr bis 2030 lag. Das BSV geht basierend auf dieser – aller Voraussicht nach – überhöhten Prognose von einem Umlagedefizit aus, das 2025 über 3,7 Milliarden Franken und 2030 über 7 Milliarden Franken betragen wird. Es wird also immer offensichtlicher, dass selbst diese horrenden Defizite die künftige Entwicklung beschönigend darstellen. Eine solche Defizitwirtschaft muss angeprangert statt bagatellisiert werden.
Dann sollte auch allen Akteuren wie Schuppen von den Augen fallen, dass es nun dringend einen ersten und verdaubaren Reformschritt braucht, der die Finanzen der AHV für die nächsten Jahre stabilisiert. Umso unverständlicher ist, dass ausgerechnet der Bundesrat diese Botschaft nach dem Scheitern der Altersvorsorgereform 2020 ignoriert und mit seiner Neuauflage einen veritablen Fehlstart hinlegt. Der Bundesrat scheint auszublenden, dass Steuererhöhungen «auf Vorrat» vom Volk nicht goutiert werden, wie das enorm knappe Resultat zur Abstimmung über die Mehrwertsteuererhöhung im Rahmen der Reform Altersvorsorge 2020 deutlich gemacht hat.
Ins gleiche Horn stösst der K-TIPP, der als «Stimme des Volkes» die vom Bundesrat geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer von bis zu 2 Prozent in Bausch und Bogen verwirft. Unter diesen Vorzeichen ist eindeutig, dass mit einer zu starken Anhebung der Mehrwertsteuer selbst eine abgespeckte AHV-Reformvorlage an die Wand gefahren wird. Letztlich können die strukturellen Probleme der AHV infolge einer alternden Gesellschaft nicht mit massiven Steuererhöhungen allein gelöst werden. Deshalb sprechen sich die Arbeitgeber in einem ersten Reformschritt für eine massvolle Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6 Prozentpunkte aus, die mit der Angleichung des Rentenalters für Männer und Frauen auf 65/65 gekoppelt ist.
Für die besonnenen Kräfte ist die Botschaft klar: Unser Land braucht kürzere, dafür häufigere Reformschritte. Dabei lässt sich in der ersten Reformetappe eine Erhöhung des Rentenalters über 65 Jahre hinaus vorerst noch abwenden. Um die AHV langfristig zu sichern, muss allerdings ab etwa Mitte der 2020er-Jahre das Rentenalter in einer zweiten Etappe schrittweise und gut planbar der steigenden Lebenserwartung angepasst werden. Dass solche Schritte für eine solide Altersvorsorge letztlich unausweichlich sind, versteht inzwischen ein wachsender Teil der Gesellschaft. Gemäss der VOTO-Analyse zur Abstimmung über die Reform Altersvorsorge 2020 sowie der neusten Vimentis-Umfrage bröckelt die harte Front gegen jegliche Erhöhung des Rentenalters zusehend. Leider ist diese Einsicht der Stimmbürger noch nicht überall in der Politik durchgedrungen.