Die AHV im Würgegriff der Demografie

21. März 2011 Meinungen

Die Altersvorsorge steht vor grossen finanziellen Herausforderungen. Nachdem das Verhältnis zwischen Rentnern und Aktiven in den letzten 20 Jahren nahezu konstant geblieben ist, wird es sich in den nächsten Jahren rasant verschlechtern. Diese Entwicklung hat insbesondere für die AHV gravierende finanzielle Konsequenzen und ruft nach Reformen.

Der Nationalrat lehnte in der Schlussabstimmung der letztjährigen Herbstsession die 11. AHV-Revision ab. Sie hätte – neben technischen Verbesserungen in der Durchführung und einem Stabilisierungsmechanismus – die Rechnung der AHV in den nächsten zehn Jahren um rund 5 Mrd. Franken verbessert. Nun soll die 12. AHV-Revision die Probleme angehen, die wegen der demografischen Veränderung auf die AHV zukommen. Noch fehlt aber den sozialpolitischen Akteuren das gemeinsame Verständnis der finanziellen Herausforderungen, die mit der Alterung unserer Gesellschaft auf die Altersvorsorge zukommen.

Demografische Welle und Quotientenschere
Die demografische Alterung der Wohnbevölkerung hat schon vor mehr als einem Jahrhundert eingesetzt und setzt sich weiter fort. Der Anteil der Personen ab 65 Jahren an der Bevölkerung stieg von 15,4 % im Jahr 2000 auf 16,8 % im Jahr 2009, während der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen unter 20 im gleichen Zeitraum von 23,1 % auf 21,0 % sank. Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre) hat zwar seit 2000 – auch wegen der Zuwanderung – noch zugenommen, wird sich nun aber stabilisieren.

Da gleichzeitig die Zahl der über 65-Jährigen in den kommenden Jahren stark ansteigen wird, muss in naher Zukunft mit einer drastischen Trendwende gerechnet werden: Der Altersquotient, d.h. das Verhältnis der Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter (Rentner) zu den Personen im erwerbsfähigen Alter, der in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu stabil bei ca. 27% lag, wird bis 2020 auf ca. 35 % und bis 2030 auf über 40 % wachsen.

Die demografische Entwicklung ist ein Fakt, und weder ein Geburtenanstieg noch eine verstärkte Zuwanderung vermögen den laufenden Prozess nachhaltig zu  bremsen. Er ist als «Megatrend» unumkehrbar, weil  er bereits im Altersaufbau der heutigen Bevölkerung angelegt ist. In gleichem Masse, wie die Baby-Boom-Generationen der 1950er und 1960er Jahre immer älter werden und sich im Altersaufbau nach oben verschieben, beschleunigt sich die Alterung der Bevölkerung. Sie wird ihren Höhepunkt erreichen, wenn um das Jahr 2030 die demografische Welle das Rentenalter erreicht.

Erhöhung des Rentenalters als logische Lösung
Mit der drastischen Verschlechterung des Aktiven/Rentner-Verhältnisses sind für die umlagefinanzierten AHV in absehbarer Zeit rasch wachsende Defizite vorprogrammiert. Ob der AHV-Fonds dadurch zwei Jahre früher oder später ins Minus fällt, spielt keine Rolle – strukturelle Sanierungsmassnahmen sind unabdingbar und müssen rasch eingeleitet werden. Dabei darf die Lösung nicht einfach in einer Erhöhung der Beiträge oder der öffentlichen Zuschüsse gesucht werden, zumal bereits 1999 ein zusätzliches «Demografie-Mehrwertsteuerprozent» zugunsten der AHV eingeführt wurde. Richtigerweise ist den Belastungen der demografischen Veränderungen mit der Nutzung ihrer Chancen zu begegnen, indem die deutlich gestiegene Lebenserwartung auch in der Altersvorsorge berücksichtigt wird.

Es ist also nur konsequent, das Regelrentenalter in der AHV anzuheben und so der verlängerten Erwerbsfähigkeit anzupassen. Diese Anhebung kann auch «schleifend» erfolgen, z.B. jahrgangsabhängig in Monatsschritten. Je rascher das heutige Rentenalter nach oben verschoben wird, desto sanfter wird die Anpassung ausfallen können. Die Erhöhung des Regelrentenalters ist schliesslich auch aus Sicht des Arbeitsmarkts geboten. Dieselbe demografische Veränderung, welche die Altersvorsorge belastet, wird nämlich zu einem Arbeitskräftemangel führen, der mit einer Verlängerung der Erwerbsleben entschärft werden kann.

Berechenbarkeit und Transparenz
Bei der Neudefinition von Altersvorsorge-Parametern ist auch auf die Berechenbarkeit und Transparenz zu achten. Besonders die AHV muss in ihrer «Grundmechanik» von der Bevölkerung verstanden werden. Ausgeklügelte Modelle mit Beanspruchungskoeffizienten, demografische Koeffizienten, etc. sind unter diesem Aspekt schwierig zu implementieren, müssen aber dennoch diskutiert werden. Dem Bedürfnis nach der «Berechenbarkeit» der künftigen Rentenhöhe, widerspricht z.B. die Verknüpfung der Anfangsrentenhöhe mit dem AHV-Fondsstand. Vom Anlageerfolg abhängige Rentenschwankungen sind bei der Basisvorsorge unerwünscht. Die Anpassung laufender Renten kann dagegen mit einer Stabilisierungsregel an den Stand des Ausgleichsfonds angebunden werden. Eine solche Stabilisierungsregel ist nötig, um die AHV nach ihrer strukturellen Sanierung vor Defiziten infolge unvorhergesehener Entwicklungen zu schützen.