«Ich wünsche mir starke Gewerkschaften»

10. September 2018 Medienbeiträge

Arbeitgeberdirektor Roland A. Müller erläutert im Interview mit dem syndicom magazin, was für ihn gelebte Sozialpartnerschaft bedeutet, wie diese von Streiks herausgefordert wird und welche Rolle Gesamtarbeitsverträge dabei spielen.

«Sozialpartnerschaft sollte von Vertrauen geprägt sein»: Was meinen Sie damit?
Früher haben sich die Sozialpartner vorwiegend hinter verschlossenen Türen verständigt. Dadurch sind tragfähige Kompromisse entstanden. Diese gelebte Sozialpartnerschaft war stark von Vertrauen und Lösungsorientierung geprägt. Leider haben sich die Gewerkschaften vermehrt davon verabschiedet. Im Wettbewerb um Mitglieder suchen sie verstärkt das mediale Rampenlicht.

Welches wären die «lebensnahen Lösungen», für die Sie plädieren?
Die Branchen- und innerbetrieblichen Sozialpartner sind am Puls der Arbeitswelt und kennen die wahren Bedürfnisse ihrer Klientel. Aus einem Austausch fernab von ideologischen Grabenkämpfen resultieren pragmatische und praktikable Lösungen. Ihr Verständigungswille ist zentral für eine funktionierende Sozialpartnerschaft und entscheidend für das Erfolgsmodell Schweiz.

Ist die Partnerschaft gescheitert, wenn Arbeitnehmende für eine Verbesserung der sozialen Abfederung streiken? So wie bei der SDA?
Eine Sozialpartnerschaft, die auf Vertrauen und Dialog beruht, erhält mit einem Streik einen herben Dämpfer. Streik ist eine Belastung für die Beziehungen, im Falle eines GAV kann er gar einen Vertragsbruch darstellen. Meist verständigen sich die Parteien in der Folge dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf eine Lösung – so geschehen im Fall der SDA.

Welche Vorteile haben Gesamtarbeitsverträge?
Die tragende Säule eines GAV ist die Friedenspflicht, welche Streiks untersagt. GAV zeigen Lösungen der Streitschlichtung auf, die beiden dienen, Arbeitnehmenden und Arbeitgebern.

Und welche könnten die Schwierigkeiten sein?
Da GAV einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen, müssen sie auch die Interessen der Arbeitgeberseite berücksichtigen. Letztlich sind sie das Resultat einer gelebten Sozialpartnerschaft, bei der sich alle Parteien lösungsorientiert an einen Tisch setzen.

Was stört Sie an den Gewerkschaften?
Dass sie auf partnerschaftliche Lösungen pochen, solche aber häufig über den politischen Prozess erschweren. Ich wünschte, sie würden wieder mehr auf die Sozialpartnerschaft setzen. Und sie sollten offener sein, für neue Entwicklungen, und nicht nur auf Besitzstandswahrung bedacht. Ich wünsche mir starke Gewerkschaften, die als zuverlässige Partner auftreten, um in einer konstruktiven Sozialpartnerschaft die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.

Das Interview mit Roland A. Müller ist im syndicom magazin erschienen.