«Die Linke ist sehr gut organisiert»

28. August 2017 Medienbeiträge

Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt sieht die Rochade im Bundesrat als Chance für die Bürgerlichen. Zugleich fordert er einen grösseren politischen Einsatz der Schweizer Unternehmer.

Keiner der drei Kandidaten für die Nachfolge von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter ist Unternehmer. Mit Johann Schneider-Ammann tritt der letzte verbleibende Patron in absehbarer Zeit aus der Landesregierung zurück. Stört Sie das?
Pierre Maudet, Isabelle Moret und Ignazio Cassis verfügen über Führungserfahrung. Es ist aber in der Tat so, dass keiner der drei Kandidaten Unternehmer ist. Dass kein Unternehmer für die Nachfolge Burkhalters in Frage kommt, liegt auch daran, dass nur wenige Leute aus der Wirtschaft im Parlament sitzen.

Wie meinen Sie das?
Wir müssen selbstkritisch festhalten: Die Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu wenig direkt im nationalen Parlament engagiert.

Warum?
Die Globalisierung verlangt eine höhere Reisetätigkeit, zugleich ist auch der Anteil ausländischer Führungskräfte höher, die politisch nicht aktiv werden können. Kommt hinzu: Unserem Land geht es relativ gut.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Wir arbeiten an Kandidaturen für die Wahlen 2019 und 2023. Wir versuchen, Unternehmer zu überzeugen, politisch aktiv zu werden. Denn aller Arbeit unseres Verbands zum Trotz: Letztlich stimmen in Bern 246 Parlamentarier ab und nicht die Verbände.

Wie fällt Ihre Halbzeitbilanz der laufenden Legislatur aus?
Ich bin etwas ernüchtert. Von der bürgerlichen Wende der Wahlen von 2015 spüren wir bis heute noch zu wenig. Es ergeben sich immer wieder Konstellationen, bei denen bürgerliche Parteien mit der SP zusammenspannen. Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative war es die FDP, bei der Rentenreform kooperiert die CVP mit der Linken. Wir wünschen uns, dass sich die Bürgerlichen zusammenraufen.

Das ist in unserem politischen System der wechselnden Allianzen schwer vorstellbar.
Ich musste lernen, dass alle Parteien ein übergeordnetes Ziel haben, und das ist die Optimierung des eigenen Wähleranteils. Zugleich muss ich unseren politischen Gegnern zugutehalten: Die Linke ist sehr gut organisiert und tritt geschlossen auf. Da können wir von den Linken lernen.

Wie blicken Sie demnach auf die nächsten zwei Jahre?
Sicher optimistischer als auf die zwei vergangenen Jahre. Der Wechsel im Bundesrat ist dabei ein wichtiger Aspekt. Geschlechterquote, Lohnpolizei, wie konnte ein bürgerlicher Bundesrat solche Beschlüsse fassen? Ich hoffe, dass sich das nun korrigiert. Dann wird es auch im Parlament einfacher.

Dann hat Sie also Burkhalters Rücktritt gefreut?
Sagen wir so: Die Wahl eines neuen Bundesrats ist eine neue Chance für eine bürgerliche Wende im Bundesrat.

Im Volk bläst Ihnen aber ein rauer Wind entgegen: Das hat etwa die deutliche Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III Anfang Jahr gezeigt.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind grundsätzlich ein wirtschaftsfreundliches Volk. Sie lehnten unter anderem sechs Wochen Ferien, ein bedingungsloses Grundeinkommen und die Erhöhung der AHV-Renten ab. Abstimmungen, die wir verloren haben, waren immer deutliche Zeichen für Missstände: zum Beispiel gegen überrissene Millionengehälter oder gegen eine zu hohe Zuwanderung.

Was leiten Sie daraus ab, mit Blick auf die Abstimmung über die Altersreform?
Die Altersvorsorge hat fundamentale strukturelle Probleme. Die Scheinreform, über die wir am 24. September abstimmen, ist ein Brandbeschleuniger, der die Probleme noch verschärft und nicht löst. Darum muss man diese Reform ablehnen.

Eine Vorlage, die den jahrzehntelangen Reformstau bei der Altersvorsorge endlich durchbrechen würde?
Die Erhöhung der Ausgaben in der AHV mit den 70 Franken für Neurentner würde dazu führen, dass in weiteren Sanierungsschritten noch drastischere Massnahmen ergriffen werden müssten. Rentenalter 67 lässt grüssen!

Sie sind gegen Rentenalter 67?
Das Thema Rentenalter wird früher oder später auf den Tisch kommen. Das Thema muss aber sachlich angegangen werden. Der Arbeitgeberverband hat in der Debatte um die Altersreform eine Stabilisierungsregel vorgeschlagen, die im Jahr 2036 zu einem Rentenalter 66 führen könnte. Das ist also in knapp 20 Jahren und nicht morgen.

Das Interview mit Valentin Vogt ist im SonntagsBlick erschienen.