Familienzeit-Initiative: Verständliches Anliegen, falscher Ansatz

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung auf allen Ebenen. Die Familienzeit-Initiative setzt mit ihrem Vorschlag für einen ausgedehnten Elternurlaub bei einem berechtigten Anliegen an – greift jedoch zu kurz. Statt starrer Vorgaben und kostenintensivem Urlaub braucht es flexible, langfristig tragfähige Lösungen, die sowohl Familien als auch Arbeitgebern gerecht werden.

Eltern sein und gleichzeitig beruflich tätig bleiben – das ist heute für viele Familien Wunsch und Realität. Die Familienzeit-Initiative, für die ab heute Unterschriften gesammelt wird, will dies Eltern mit einem Elternurlaub von je 18 Wochen pro Elternteil erleichtern. Was auf den ersten Blick familienfreundlich erscheint, ist aber weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich nachhaltig sinnvoll.  

Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit angepassten Rahmenbedingungen verbessern 

Das zentrale Anliegen – die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – erfüllt sich nicht in einem möglichst langen, teuren Elternurlaub, mit gleichbleibenden Rahmenbedingungen nach dem Wiedereinstieg. Die Lösung liegt stattdessen in der Schaffung zeitgemässerer Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie langfristig ermöglichen. Aus Sicht des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) braucht es dazu keine pauschalen staatlichen Angebote, sondern flexible Arbeitsmodelle, mehr Angebote für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung sowie passende Anreize zur Erhöhung der Erwerbspensen. Denn gerade dann, wenn Kinder älter und selbständiger werden, können viele Eltern ihr Pensum steigern:  ein entscheidender Hebel für finanzielle Stabilität, bessere Vorsorge und die berufliche Entwicklung. 

Stärkere Belastung für Unternehmen – insbesondere KMU 

Längere Abwesenheiten durch eine staatlich verordnete Elternzeit würden hingegen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) organisatorisch und finanziell stark belasten. Schon heute engagieren sich viele Branchen und/oder Unternehmen über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinaus und bieten individuelle oder branchenspezifische Lösungen an – ein Weg, der sich bewährt hat und den die Arbeitgeber stärken wollen. 

Hohe Mehrkosten und offene Auswirkungen  

Hinzu kommt die finanzielle Dimension: Mit jährlich über 2,3 Milliarden Franken an erwarteten Mehrkosten – fast dreimal so viel wie heute (876 Mio.) – wäre die Initiative ein kostspieliges Unterfangen. Finanziert würde sie über die Erwerbsersatzordnung (EO), deren Beiträge sich verdoppeln würden. Dies würde zu deutlich höheren Lohnabzügen für Arbeitgeber und Arbeitnehmende führen. Diese Belastung schwächt die Arbeitsanreize und trifft letztlich alle – unabhängig davon, ob sie die Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen. 

Ob sich die Investition langfristig überhaupt auszahlt, ist fraglich. Selbst bei einer moderaten Erhöhung des Erwerbspensums von Müttern nach der Mutterschaftspause würde es gemäss Berechnungen von Ecoplan über 20 Jahre dauern, bis sich die Kosten amortisieren. Ob dieser Effekt eintritt, hängt von individuellen Lebensentwürfen und persönlichen Entscheidungen ab – und ist somit unsicher. 

Es braucht Anpassungen – aber keinen pauschalen Urlaub 

Das Anliegen, jungen Familien mehr Zeit zu geben, ist verständlich. Doch die Antwort darauf sollte nicht ein unflexibles, teures Modell sein, das Wirtschaft und Gesellschaft langfristig belastet. Vielmehr braucht es Massnahmen, die nachhaltig wirken: mehr Flexibilität im Arbeitsalltag, passende Kinderbetreuung und echte Wahlfreiheit. Nur so lässt sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich verbessern, ohne Wirtschaft und Steuerzahlen unnötig zu belasten.