Standortstärken verteidigen, Reformen vorantreiben

4. Juli 2011 Medienmitteilungen

Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in der Schweiz sind robust und dynamisch. Damit das so bleibt, müssen die bestehenden Standortstärken der Schweiz abgesichert und die nötigen Reformen vorangetrieben werden. Das forderte Dr. Rudolf Stämpfli am ARBEITGEBERTAG 2011 in Zürich. Stämpfli übergab das Präsidium des Schweizerischen Arbeitgeberverbands am 1. Juli an Valentin Vogt. Als Gastreferent trat Bundesrat Didier Burkhalter auf.

Am ARBEITGEBERTAG in Zürich zog Dr. Rudolf Stämpfli zum Ende seiner Amtszeit eine Bilanz der vergangenen acht Jahre: Die Schweizer Wirtschaft habe eine «Renaissance» erlebt und stehe heute im internationalen Vergleich gut da, auch wenn die Frankenstärke derzeit die Exportwirtschaft belaste. Als wichtigste Gründe für die positive Entwicklung nannte Stämpfli u.a. die wettbewerbsorientierte Wachstumspolitik, das disziplinierte Finanzgebaren der öffentlichen Hand, die Marktöffnung zur EU und die Personenfreizügigkeit. Entscheidend seien aber auch die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen und die Standortstärken der Schweiz (liberale Arbeitsmarktordnung, Sozialpartnerschaft) gewesen. Weniger erfreulich ist die Bilanz laut Stämpfli bei den Sozialversicherungen: Den Fortschritten bei der Sanierung der Arbeitslosenversicherung und der IV stehe eine Liste mit ungelösten Problemen bei der AHV, der beruflichen Vorsorge oder der Krankenversicherung gegenüber.

Erfolgsfaktoren und Forderungen aus Arbeitgebersicht
Ausgehend von diesem Befund folgerte Stämpfli: «Wir müssen mit dem gleichen Engagement die bisherigen Erfolgsfaktoren verteidigen, wie wir uns für Reformen zur Behebung vorhandener Schwächen einsetzen.» Konkret forderte der Arbeitgeber-Präsident:

  • Die Flexibilität des Arbeitsmarkts muss gesichert werden. Den Versuchen von Gewerkschaften und Linksparteien, den freien Arbeitsmarkt mit Vorstössen wie der Mindestlohninitiative einzuschränken, ist entschieden entgegen zu treten.
  • Die Öffnung des Arbeitsmarktes und die Personenfreizügigkeit mit den EU-/Efta-Staaten darf nicht in Frage gestellt werden – wie etwa durch die Zuwanderungs-Initiative.
  • Bei den Sozialversicherungen sind mehr Reformanstrengungen nötig. Das gilt vorab für die AHV, bei der trotz verbesserten Rechnungs-Prognosen eine Finanzierungslücke absehbar ist. Der negative Trend beim Umlage-Ergebnis ist eindeutig und der Reformbedarf ausgewiesen, wobei primär beim Rentenalter anzusetzen ist.
  • Die Sanierung der Invalidenversicherung (IV) ist konsequent fortzusetzen, damit die Defizite bis 2018 eliminiert und die Schulden von 15 Milliarden Franken in den Folgejahren abgebaut werden. Der Schweizerische Arbeitgeberverband unterstützt die Vorlage zur Revision 6b, sofern damit die Sanierungsziele wirklich realisiert werden.
  • Handlungsbedarf besteht auch bei der Beruflichen Vorsorge (BV) und der obligatorischen Krankenversicherung: Bei der BV sind Anpassungen an die gestiegene Lebenserwartung und die sinkenden Rendite-Aussichten unumgänglich. Die Krankenversicherung und das Gesundheitswesen brauchen endlich klare Strukturen und Regeln, die zu einem kohärenten und transparenten Gesamtsystem führen.

Vehementes Plädoyer für die Personenfreizügigkeit
Mit besonderer Vehemenz setzte sich Rudolf Stämpfli für die Personenfreizügigkeit (PFZ) mit der EU/Efta ein. Er warf den Gegnern vor, deren Nutzen zu bagatellisieren und vorab von negativen Begleiterscheinungen zu sprechen. Ihre Behauptungen, die PFZ führe zu Lohndruck, Verdrängungseffekten im Arbeitsmarkt oder zum Missbrauch der Sozialwerke seien längst widerlegt: «Tatsächlich folgt die Zuwanderung der Entwicklung der Bedürfnisse der Wirtschaft», betonte Stämpfli. Nur dank der PFZ und der selektiven Rekrutierung in so genannten Drittstaaten könnten wachstumshemmenden Lücken auf dem Schweizer Arbeitsmarkt gefüllt werden.

Stämpfli warnte die Gegner der PFZ, die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber der EU mit der Forderung nach einseitigen Zulassungsregeln in Frage zu stellen: «Die Rückkehr zum Kontingentsregime wäre eine Rückkehr zu mehr Bürokratie und zu einer erhöhten Entscheidungsunsicherheit – sowohl für Unternehmen als auch für die ausländischen Arbeitskräfte», sagte Stämpfli. Gleichzeitig betonte er, dass die Arbeitgeber negative Begleiterscheinungen (etwa auf dem Immobilienmarkt) keineswegs negieren. «Diese müssen wir aber mit einer guten Politik abfedern – und nicht das Herzstück unserer Migrationspolitik aufs Spiel setzen.»

Auch die Arbeitgeber sind in der Pflicht
Abschliessend appellierte Stämpfli an das Verantwortungsbewusstsein in den eigenen Reihen. Auch die Arbeitgeber seien bei der Verteidigung der Standortstärken und der Umsetzung von Reformen in der Pflicht. Wer die Zuwanderung befürworte, müsse sich auch um die Integration kümmern, erklärte er. Und wer für die Sanierung der IV und ein höheres Rentenalter plädiere, müsse auch etwas für die Eingliederung von Handicapierten oder die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte tun. Hier, so Stämpfli, seien die Arbeitgeber gefordert, «ihre Glaubwürdigkeit mit dem Tatbeweis einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung wieder herzustellen.»

Gastreferat von Bundesrat Didier Burkhalter
Als Gastreferent trat am ARBEITGEBERTAG Bundesrat Didier Burkhalter auf. Er thematisierte in seiner Rede u.a. den Reformbedarf bei der AHV, bei der Invalidenversicherung (IV-Revision 6b) und bei der 2. Säule. Zudem betonte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern die wichtige Rolle der Sozialpartnerschaft für den Arbeitsmarkt sowie die Stabilität und Flexibilität der Schweizer Wirtschaft.

Zum Abschluss des ARBEITGEBERTAGS folgte ein Panelgespräch zum Thema «Wahlen 2011» und Arbeitgeberpolitik. Unter der Leitung von Marco Färber (NZZ) diskutierten Jacqueline Fehr (Vizepräsidentin SP), Caspar Baader (Fraktionspräsident SVP), Christophe Darbellay (Präsident CVP), Hans Grunder (Präsident BDP) und Fulvio Pelli (Präsident FDP – Die Liberalen).

Wechsel im Präsidium
Dr. Rudolf Stämpfli hatte am ARBEITGEBERTAG seinen letzten Auftritt als Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands: Er trat nach acht erfolgreichen Jahren zurück. Vizepräsident Wolfgang Martz würdigte Stämpfli als vorbildlichen Patron, der sich stets lösungsorientiert und weitsichtig für die Interessen der Arbeitgeberschaft eingesetzt habe. Das Präsidium übernimmt Valentin Vogt, Präsident des Verwaltungsrats der Burckhardt Compression Holding AG und bislang Mitglied im Vorstandsausschusses des Arbeitgeberverbands. Vogt erklärte zu seinem Amtsantritt: «Ich freue mich, als Präsident einen Beitrag zur Stärkung der Schweizer Wirtschaft und zur Erhaltung des Erfolgsmodells Schweiz leisten zu können.»