Deutsch und deutlich

4. Juni 2012 Meinungen

Die Zuwanderung von Deutschen sorgt für polemische Debatten. Dabei wäre mehr Sachlichkeit angezeigt – und vor allem mehr Respekt.

Wenn es in der Schweiz um die Deutschen geht, brechen immer mal wieder alte Reflexe und Ressentiments auf – insbesondere in der Generation, die den 2. Weltkrieg noch miterlebt hat. Das war früher zum Beispiel regelmässig bei Welt- oder Europameisterschaften im Fussball so. Da hofften etwa (geschätzte) 90 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen, dass bitteschön die Holländer (WM 1974) oder die Tschechen (EM 1996) das Finale – pardon! – den Final gewinnen. Alle, nur nicht die «Schwaben». Noch schlimmer wären nur die Österreicher gewesen, die aber ohnehin nie eine Chance hatten.

Debatte zum X-ten
Ähnliche Ressentiments geistern jetzt auch im Kontext der Zuwanderungs-Diskussion wieder herum. Es reicht, wenn eine Politikerin öffentlich kundtun darf, dass es in der Schweiz ihrer Meinung nach «zu viele Deutsche» habe – und schon zetteln gewisse Medien zum x-ten Mal eine Debatte über die deutschen Einwanderer an, die meist nach dem gleichen Muster abläuft: Zuerst dürfen sich via Leserbriefe oder Blogs verunsicherte Schweizer hemmungslos über die plötzlich so vielen Deutschen im Tram oder über ihre angebliche Arroganz aufregen.

Dann dürfen einigermassen prominente Deutsche, die in unserem Land leben, in TV-Talk-Shows «Verständnis» für gewisse Ängste der Schweizer Bevölkerung signalisieren. Und schliesslich kommen jene aus dem Busch, welche die Story gegen den Strich bürsten und behaupten, dass die Deutschen nun mal besser und fleissiger seien als die Schweizer. Um der ganzen Polemik noch etwas mehr Zunder zu geben.

Deutsche stützen das Wachstum
Das ist ja im besten Fall alles ganz unterhaltsam und auch ziemlich durchschaubar. Kommt dazu: Dass über die Folgen der Zuwanderung im Allgemeinen und jene der Deutschen im Besonderen diskutiert wird, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch völlig legitim. Nur: Etwas mehr Sachlichkeit und Coolness würden nicht schaden.

Zumal wirtschaftliche Fakten und die Erfahrungen von Unternehmen darauf hinweisen, dass es keinesfalls zu viele Deutsche in der Schweiz gibt, sondern eher noch Rekrutierungsbedarf besteht. Denn egal, ob es sich um die MEM-Industrie, die Versicherer, die Bauwirtschaft, das Gesundheitswesen oder die Hotellerie handelt: Die Schweizer Unternehmen sind schlicht darauf angewiesen, dass sie auch Personal aus Deutschland rekrutieren können – und zwar auf allen Stufen, vom Servicefachangestellten im Restaurant bis zur Managerin in der Chefetage.

Der wichtigste Handelspartner
Die Deutschen tragen mit ihrem Know-how, ihrer Leistungsbereitschaft und dienstleistungsorientiertem Denken massgeblich dazu bei, drohende Personallücken zu füllen und das Wachstum zu begünstigen. So helfen sie letztlich auch mit, neue Arbeitsplätze zu schaffen – auch für Schweizer oder andere Zuwanderer.

Schliesslich sollte man auch folgendes nicht vergessen: Deutschland ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner der Schweiz und ein Land, mit dem uns traditionell sehr viel verbindet. Allein das Handelsvolumen mit Baden-Württemberg, wo viele Schweizer so gerne hinfahren, um günstig einzukaufen, ist etwa gleich gross wie dasjenige mit den USA. Wir tun also gut daran, die guten Beziehungen mit den Nachbarn aus dem Norden mit Respekt zu pflegen.

Um es deutsch und deutlich zu sagen: Ja zu sachlichen Diskussionen über die Folgen der Zuwanderung – Nein zu billiger Polemik gegen die Deutschen.