Bewegen Sie sich!

5. Januar 2011 Meinungen

Das Jahr 2010 stand wirtschaftlich im Zeichen der Erholung, die politische Bilanz fällt durchzogen aus. Für das neue Jahr heisst die Devise: Das eigene Haus in Ordnung halten und die politischen Blockaden überwinden.

Über das Wirtschaftsjahr 2010 können wir uns nicht beklagen. Mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von etwa 2,5% verdienen die vergangenen zwölf Monate sowohl im historischen wie im internationalen Vergleich eine gute Note, und auch die Beschäftigungsentwicklung liegt deutlich über den Erwartungen. Ja, die aktuelle Arbeitslosenquote ist noch zu hoch; aber wenn wir sie an den prognostizierten Werten von über 5% messen, fällt das Urteil doch positiv aus. Insgesamt erlebte die Schweiz den Jahreswechsel jedenfalls in einer bessern Verfassung als die meisten Industrieländer.

Wirtschaftliche Risiken bleiben
Bei aller Genugtuung über die konjunkturelle Erholung dürfen wir deren Fragilität nicht übersehen. Die Weltwirtschaft ist nach wie vor mit grossen Risiken belastet. Vor allem die enormen Schulden wichtiger und grosser Staaten können zu neuen Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten und zu Rückschlägen in der Realwirtschaft führen. Diese Gefährdungen liegen weitgehend ausserhalb des schweizerischen Einflussbereichs, können aber unsere kleine und offene Volkswirtschaft empfindlich treffen. Umso wichtiger ist es, dass wir das eigene Haus in Ordnung halten, unsere Standortstärken bewahren und uns mit einer vorausschauenden Politik auf die Bewältigung der exogenen Risiken vorbereiten.

Zur wirtschaftlichen Standortbestimmung am Jahresende gehört also auch eine politische Lagebeurteilung. Diese fällt im Rück- und vor allem im Ausblick durchzogen aus. Nicht so schlecht, wie uns die Katastrophenpropheten (und selbst ernannten Heilsbringer) schon seit Jahren weismachen wollen. Aber auch nicht so gut, dass wir sorgenlos in die Zukunft blicken könnten.

Politische Wechselbäder
Bei den Volksabstimmungen 2010 erlebten wir ein eigentliches Wechselbad. Auf das deutliche «Nein» der Stimmberechtigten zur Anpassung des Mindestumwandlungssatzes bei der beruflichen Vorsorge (BVG) vom März folgte im September die realistische Zustimmung des Souveräns zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Im November mischte sich unsere Genugtuung über die Ablehnung der SP-Steuer-Initiative mit der Sorge, wie die vom Volk gutgeheissene Ausschaffungsinitiative ohne internationale Kollateralschäden umgesetzt werden kann.

Das Parlament wehrte im abgelaufenen Jahr zwar verschiedene Angriffe gegen vitale Standort-Interessen ab. Es liess aber wegen der mehrfachen unheiligen Allianz zwischen den Polparteien wichtige sozialpolitische Vorlagen wie die 11. AHV-Revision oder das Massnahmenpaket für Einsparungen im Gesundheitswesen scheitern.

Wider den politischen Stillstand
Bei diesen und anderen Geschäften zeigten sich bereits die Vorwirkungen der Wahlen 2011, und im Wahljahr selbst werden die Parteien noch weniger bereit sein, im Interesse der Sache von ihren «reinen» Positionen abzurücken. Wegen der zunehmenden wahltaktischen Steuerung der Parteien kann also vorausschauende Politik nur noch in drei von vier Legislatur-Jahren gemacht werden. Dominieren auch in diesen «Wahlkampf-freien» Perioden die ideologischen Blockaden, dann kommt es zum Reformstau und zur Schwächung des Standorts Schweiz. Deshalb mein Aufruf an die Politiker für 2011 und danach: «Bewegen Sie sich!»