Die Verpolitisierung des BVG erreicht einen Höhepunkt

7. November 2018 News

Nachdem die BVG-Kommission bereits einen überhöhten Mindestzins von 0,75 Prozent empfohlen hat, geht der Bundesrat noch einen Schritt weiter und beschliesst für 2019 einen Mindestzins von 1 Prozent. Die Verpolitisierung des BVG nimmt damit ein neues Ausmass an.

Überraschend folgt der Bundesrat bei der Festlegung des Mindestzinses nicht der BVG-Kommission, die ihm für nächstes Jahr einen Wert von 0,75 Prozent empfohlen hat. Zwar berufen sich beide Gremien auf eine umstrittene neue Berechnungsformel, welche die Kommission allem Anschein nach entwickelt hat, um einen möglichst hohen Mindestzins zu begründen. Denn die bisherige bewährte Formel hätte für 2019 einen Zinssatz von lediglich 0,5 Prozent ergeben. Der Bundesrat geht nun noch einen Schritt weiter und beschliesst für das nächste Jahr gar einen Mindestzins von 1 Prozent.

Die neue Formel ist so konzipiert, dass sie nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern sogar von Monat zu Monat einen stark variierenden Mindestzins ergibt. So stützte sich die BVG-Kommission für ihre Empfehlung gemäss bisheriger Praxis auf einen Stichtag im Juli 2018, für den die neue Formel einen Mindestzins von 0,78 Prozent indiziert. Demgegenüber bezieht sich der Bundesrat nun plötzlich auf einen arbiträren Stichtag im September 2018, für den die Formel einen Wert von 1,03 Prozent anzeigt. Bereits Ende Oktober hätte die Formel nach eigenen Berechnungen wiederum einen Mindestzins von höchstens 0,65 Prozent ergeben. Ohne triftige Gründe begründet der Bundesrat also plötzlich eine neue Praxis und hebelt damit seine beratende Fachkommission aus. Konsequenterweise hätte er sich aber wenigstens auf den letzten verfügbaren Stichtag abstützen und somit einen Mindestzins von 0,65 Prozent beschliessen müssen.

Den Mindestzins auf Basis einer Berechnungsformel festzulegen, die dermassen volatil auf Marktschwankungen reagiert, ist fragwürdig und schadet dem guten Ruf der beruflichen Vorsorge und dem Vertrauen der Versicherten. Laut dem Bericht der BVG-Kommission wäre der Mindestzins mit der neuen Formel nach der Finanzkrise 2009 gar auf 4 Prozent gesprungen. Unklar ist nun auch, weshalb es die BVG-Kommission überhaupt noch braucht, wenn sich der Bundesrat ohne triftige Gründe nicht mehr an deren Empfehlungen hält.

Damit erreicht die Verpolitisierung des BVG ein neues Ausmass. Offenkundig ist es an der Zeit, das Konzept zur Festlegung des Mindestzinses grundsätzlich anzupassen. Künftig soll das oberste Organ jeder Vorsorgeeinrichtung den Mindestzins eigenverantwortlich festlegen. Nur so wird sichergestellt, dass sich der Mindestzins an den wirtschaftlichen Realitäten orientiert und sich gleichzeitig im Interesse der Versicherten den Möglichkeiten der einzelnen Vorsorgeeinrichtungen anpasst. Statt eine kurzfristige Optimierung mit einem politisch überhöhten Mindestzins ist für die Versicherten die nachhaltige Sicherheit der BVG-Renten massgebend.