Fragezeichen zu einer Lehre mit Hochschulabschluss

26. November 2010 News

Gymnasiasten sollen nach der Matur mit Betrieben Lehrverträge abschliessen und statt der Berufsschule eine Fachhochschule besuchen. Das fordert die Denkfabrik Avenir Suisse in einer neuen Publikation. Nach Meinung des Schweizerischen Arbeitgeberverbands genügen jedoch die aufgezeigten Fakten nicht, um einen solch bedeutenden Umbau des Bildungssystems zu rechtfertigen.

Die Schweizer Berufslehre sei ein Erfolg, schreibt Avenir Suisse in einer Medienmitteilung. Dieser Erfolg lasse sich an der tiefen Schweizer Jugendarbeitslosigkeit ablesen. Einem Angebot an 90 000 Lehrstellen seien im August 2010 gut 80 000 Schulabgänger gegenübergestanden. «Lehrstellen sind nicht mehr knapp, die Berufseinsteiger verfügen über eine Auswahl». Trotzdem besteht laut der Denkfabrik die Gefahr, dass die hohe Integrationskraft der Berufslehre zurückgeht.

Plädoyer für durchlässigeres Bildungssystem
Die Durchlässigkeit aus der beruflichen Grundbildung in die höhere Bildung müsse verbessert werden, schlägt Avenir Suisse in der neuen Studie «Die Zukunft der Lehre. Die Berufsbildung in einer neuen Wirklichkeit» vor. Kernpunkt der Vorschläge ist die Einführung eines dualen Studiums für gymnasiale Maturanden. Analog der klassischen Lehre wäre ein Lehrvertrag mit einem Betrieb abzuschliessen, die Fachhochschulen übernähmen anstelle der Berufsfachschulen den theoretischen Teil der Ausbildung.

Die von Avenir Suisse vorgeschlagene neue Lehre auf Hochschulstufe soll das einjährige Praktikum ersetzen, mit dem Maturanden gegenwärtig Zugang zu Fachhochschulen erhalten. «Damit würde die schleichende Akademisierung der Fachhochschulen gebremst.» Die Praxis würde in einem Unternehmen gelehrt, die Theorie an der Fachhochschule, schlägt Avenir Suisse vor.

Arbeitgeberverband begrüsst öffentliche Diskussion
Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) begrüsst eine verstärkte öffentliche Diskussion über das schweizerische Berufsbildungssystem. Viele Akteure der Berufsbildung, insbesondere Arbeitgeberkreise, beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems, um es mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tendenzen abzugleichen. Dazu gehören etwa der «Wettbewerb um Talente», die demografische Entwicklung, Fragen der Ausbildungsbereitschaft, die Globalisierung sowie strukturelle Veränderungen der Wirtschaft.

Nach Meinung des SAV basiert der Hauptvorschlag von Avenir Suisse, ein duales Studium für Gymnasiasten einzuführen, zu wenig auf Fakten. Auf dieser Grundlage kann ein solch bedeutender Umbau des Bildungssystems kaum gerechtfertigt werden. Erfolgreiche Veränderungen in der Berufsbildung erfolgen aus Erfahrung durch allmählich fortschreitende Entwicklungen, getragen und abgestützt durch die Verbände als die federführend Akteure und Bindeglieder zwischen Arbeitswelt und Berufsbildungssystem.

Einsatz für die Entwicklung der Berufsbildung
Der SAV und seine Mitgliederverbände setzen sich stark für die Entwicklung und Weiterentwicklung der Berufsbildung ein. Die verantwortlichen Berufsverbände können bei einem echten Bedarf bereits heute viele Anpassungen innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens realisieren.