Wir zeigen Gesicht: Lukas Müller-Brunner

19. August 2020 5 Fragen an...

In loser Folge stellen wir die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) vor. Lukas Müller-Brunner ist seit dem Frühling 2020 Leiter des Ressorts Sozialpolitik beim SAV. Mit einer nachhaltige Reform der Altersvorsorge und einer gesicherte Finanzierung wird er sich in nächster Zeit intensiv auseinandersetzen.

Sie traten ihre neue Stelle beim SAV gerade in der Zeit an, als die Corona-Krise ihren Lauf nahm. Wie haben sie den Start in dieser aussergewöhnlichen Lage erlebt?

Es war tatsächlich ungewöhnlich. Der erste Arbeitstag war geprägt von menschenleeren Büros und hat hauptsächlich dazu gedient, den Computer abzuholen, um im Home Office arbeiten zu können. Noch ungewöhnlicher war allerdings der Austritt bei der bisherigen Arbeitsstelle, der Universität St. Gallen: Ich habe mein Büro geräumt, ohne mich physisch von den Kolleginnen und Kollegen verabschieden zu können. Gleichzeitig habe ich aber auch einen gewissen Pragmatismus festgestellt, schliesslich war die Lage für alle ähnlich. Insofern war ich auch sehr dankbar, beispielsweise direkt auf Leute mit Fragen zugehen zu dürfen, die man unter normalen Umständen wohl erst hätte treffen und kennenlernen sollen.

Ihnen untersteht das Ressort Sozialpolitik. Welches sind zurzeit die brennenden Themen für die Arbeitgeber?

Die grösste Baustelle haben wir sicher in der Altersvorsorge. Hier stehen mit der AHV und den Pensionskassen sowohl die erste wie auch die zweite Säule vor riesigen Herausforderungen. Dies notabene völlig losgelöst von der Corona-Krise: Die steigende Lebenserwartung und das gleichzeitige Tiefzinsumfeld haben schon vor dem Lockdown für gravierende Risse im Fundament gesorgt. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass beispielsweise auch die Invalidenversicherung trotz Reformbemühungen einen immensen Schuldenberg vor sich herschiebt. Sie sehen also, die Arbeit wird uns in nächster Zeit sicher nicht ausgehen.

Sie haben eine Familie und drei Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren. Wo sind für sie aufgrund ihrer Lebenssituation die wichtigsten sozialpolitischen Themen?

Ich denke, die persönliche Betroffenheit ist nicht unbedingt ein idealer Massstab bei der Prioritätensetzung. Aber vielleicht verändert sie die Perspektive. Wenn ich meine Kinder anschaue, sehe ich durchaus gewisse Parallelen zwischen der Klimapolitik, den Corona-Schulden und der Altersvorsorge: Die Dimensionen sind gigantisch und die Zeiträume reichen über mehrere Generationen. Daher ist es politisch oftmals einfacher, die Probleme aufzuschieben, anstatt sie zu lösen. Vor allem, weil die Lösungen heute schmerzen, der Nutzen aber erst in Zukunft eintritt. Wenn es mir gelingt, hier mitzuarbeiten und die Stellschrauben heute zu bewegen, sind die Kinder sicher ein guter Motivator.

Wo sollten sich die Arbeitgeber in Bezug auf die Soziale Sicherheit am meisten vorbereiten (auch aktiv)? Warum?

Das kommt wohl sehr auf die Grössenverhältnisse und die individuelle Ausgangslage an. Ein internationaler Grosskonzern hat naturbedingt andere Schwerpunkte als ein lokales KMU. Generell stelle ich aber fest, dass sich die Arbeitgeber sozialpolitisch stark einbringen. Jüngstes Beispiel ist das sieben-Punkte-Programm zur Stärkung der älteren Arbeitnehmer, das von Arbeitgeberseite mitinitiiert wurde – gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Pensionierungswellen, wir sprechen von rund 500’000 unbesetzten Stellen, ist das zentral. Oder nehmen wir den zusammen mit den Gewerkschaften erarbeiteten Sozialpartnerkompromiss für die Revision der beruflichen Vorsorge: Da steckt von Seiten der Arbeitgeber viel Engagement und auch ein gewisses Mass an Konsenswillen dahinter, sonst hätte man sich hier wohl kaum gefunden. Umso wichtiger scheint es mir, dass wir die heute etablierten sozialen Sicherungsnetze nicht leichtsinnig oder aus einer Laune heraus aufs Spiel setzen.

Inwiefern beeinflusst die Corona-Krise ihre Empfehlungen, die sie oben (4.) zuhanden der Arbeitgeber geäussert haben?

Da zweifle ich offen gestanden, dass man das heute schon abschätzen kann. Der Bund hat ja erste Prognosen für die Finanzierung beispielsweise der AHV und der Auswirkungen der Corona-Krise in den nächsten Jahren gemacht. Wenn diese so eintreten, stimmt mich das durchaus positiv. Allerdings gibt es auch ein grosses Mass an Unsicherheit: Wird sich die Wirtschaft tatsächlich so rasch auf das ursprüngliche Niveau «erholen» können? Und wie sieht es mit der Zuwanderung aus? Das alles hat einen grossen Einfluss auf unsere Sozialwerke. Aber auch hier sehe ich den eingangs erwähnten Pragmatismus: Wenn ich mir überlege, wie rasch und unbürokratisch die Arbeitgeber in der Krise Lösungen gefunden haben, bin ich überzeugt, dass wir auch für zukünftige Herausforderungen gewappnet sind.