Ältere im Job: Gefährliche Rezepte

Viel wird derzeit über die Schwierigkeiten von Personen ab 50 auf dem Arbeitsmarkt debattiert. Auch wenn jeder Einzelfall einer zu viel ist: Diese Perspektive darf nicht die Richtschnur für weitsichtiges politisches Handeln sein.

Viel wird derzeit über die Schwierigkeiten  von Personen ab 50 auf dem  Arbeitsmarkt debattiert. Ja, es gibt  diese Fälle, wie sie in einschlägigen  Medien gerne breitgetreten werden: Fälle älterer  Menschen, die ihre Stelle verlieren beziehungsweise  aufgeben und beim Jobwechsel  Mühe bekunden. Auch wenn jeder Einzelfall  einer  zu viel ist: Diese Perspektive darf nicht die  Richtschnur für weitsichtiges politisches Handeln  sein. Es braucht eine Gesamtschau. Hierzu  lohnt sich ein Blick auf die Zahlen der neusten  «Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung».  Die Daten sind eindrücklich und lassen keine  Zweifel offen: Praktisch bei allen Indikatoren zu  älteren Arbeitskräften kann sich die Schweizer  Wirtschaft mit den besten der Welt messen.

Die Mehrheit der Unternehmen  schätzt ihre ältere Belegschaft

Dennoch hat der Schweizerische Arbeitgeberverband  selber den Puls fühlen und im  Dialog  nachvollziehen wollen, wie die Arbeitgeber  mit ihren älteren Mitarbeitenden umgehen.  Dazu hat er im vergangenen Jahr rund 30 Interviews  vorwiegend mit Vertretern von KMU und  Familienunternehmen geführt. Diese Erfahrungsberichte  erlauben zwar keine repräsentativen  Schlüsse, zeigen aber doch eine klare Tendenz  auf. Generell pflegt die grosse Mehrheit  der befragten Unternehmer ein entspanntes  Verhältnis zu ihren älteren Mitarbeitenden. Sie  sind ein fester und geschätzter Bestandteil der  Belegschaft. Und es steht grundsätzlich ausser  Frage, dass sie bis zur Pensionierung oder allenfalls  darüber hinaus beschäftigt werden.

Wenn im konkreten Fall altersbedingte Anpassungen  nötig werden, finden die Arbeitgeber  Lösungen, und zwar häufig individuell  und situativ. Ob «Vollgas bis zum Schluss» oder  «Vollgas mit ruhigem Ausklang», ob «wertvoller  Beitrag mit halber Kraft» oder noch stundenweise  zur Verfügung stehender «Joker»: In der  Praxis gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Weiterbeschäftigung  älterer Arbeitnehmer so zu  organisieren, dass es zu keinen unliebsamen  Überraschungen kommt.

Die Gespräche haben indessen auch zutage  gefördert, dass allfällige Probleme mit älteren  Beschäftigten ihren Ursprung häufig in der Führung  durch die Vorgesetzten oder im Verhalten  der Mitarbeitenden haben. Zwar werden meist  regelmässig standardisierte Mitarbeitergespräche  durchgeführt, doch fehlt es dabei zuweilen  an einer ehrlichen und realistischen Beurteilung  beiderseits. So werden Leistungsdefizite  nicht offen angesprochen und deshalb keine  korrigierenden Massnahmen eingeleitet, beispielsweise  in Form von Weiterbildungen. Solche  Versäumnisse können sich über die Jahre  hinweg akkumulieren, bis irgendwann – im  schlimmsten Fall wenige Jahre vor der Pensionierung  – der Mitarbeitende für den Betrieb  nicht länger haltbar ist. Nicht mehr länger tabuisiert  werden darf freilich auch die Senioritätsentlöhnung:  Bogenkarrieren mit abnehmender  Verantwortung und entsprechend sinkendem  Lohn zum Ende eines Berufslebens  müssen als realistische und nachhaltige Karrieremodelle  erkannt werden. Die Zeiten sind vorbei,  in denen Jahr für Jahr mehr Lohn als selbstverständlich  vorausgesetzt werden konnte.

Mehr Kündigungsschutz schadet  jenen, die geschützt werden sollen

Verkehrt ist dagegen ein ausgebauter Kündigungsschutz  für ältere Arbeitnehmende, wie  ihn die Gewerkschaften derzeit gerne ins Spiel  bringen würden. Solche Eingriffe werden zu  einem  regelrechten Bumerang, denn sie wirken  sich genau für jene Gruppe von Arbeitnehmenden  nachteilig aus, die sie zu schützen vorgeben.  Das wird anschaulich in Branchen, in  denen ein Kündigungsschutz in Gesamtarbeitsverträge  hineingeschrieben worden ist. Durch  den «Schutz» riskieren Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichen  Leistungen just vor Erreichen  des Alters, ab dem eine längere Kündigungsfrist  vorgesehen ist, den Verlust ihrer  Stelle.  Wohin solche Verkrustungen letztlich  führen können, zeigt sich in der Euro-Zone.  Dort hat der fast unkündbare Status jener, die  eine Stelle haben, die Jugendarbeitslosigkeit auf  eine erschreckende Höhe getrieben.

Der Kommentar von Roland A. Müller ist in der Handelszeitung erschienen.