Ja zu schlankem Rahmengesetz für Sozialhilfe

3. Februar 2012 News

Die Sozialkommission des Nationalrats (SGK-N) will, dass die Kantone ihre Praktiken in der Sozialhilfe harmonisieren. Sie beschloss mit klarer Mehrheit eine Kommissionsmotion, die ein schlankes «Rahmengesetz für Sozialhilfe» fordert. Der Schweizerische Arbeitgeberverband begrüsst den Entscheid.

Als «Meilenstein der Schweizer Sozialpolitik» bezeichnete SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr den Entscheid der SGK-N. Sie und ihre Kommissionskollegen aus den Reihen der Grünen, der GLP, der EVP aber auch der CVP und der FDP traten «angesichts der Bedeutung des Themas» persönlich vor die Medien, um den Entscheid zu erläutern. Laut FDP-Nationalrat Ignazio Cassis geht es darum, ein System zu überprüfen, das seit hundert Jahren gewachsen ist. Seit der Einführung der Sozialhilfe seien viele Sozialversicherungen dazu gekommen.

Abgrenzungsprobleme und Schwelleneffekte
Daraus seien viele Schnittstellen entstanden, die zu Abgrenzungsschwierigkeiten führten. «Wir geben zu viel Geld aus, um zu klären, wer für was aufkommen muss», sagte Cassis weiter. Das System leide unter Doppelspurigkeiten.

Der Franken solle dort ankommen, wo er gebraucht wird, wurde zudem in der Kommission argumentiert. Ausserdem bewirkten die heutigen Strukturen Schwelleneffekte, die zu falschen Anreizen führten. Menschen die mehr arbeiteten, riskierten wegen Schwelleneffekten, unter dem Strich weniger zu verdienen.

Arbeitgeberverband: Zuständigkeiten der Kantone belassen
Diesen ungewollten Wirkungen will die Mehrheit der SGK-N mit einer Harmonisierung der kantonalen Sozialhilfepraktiken beikommen. Insbesondere die Vertreter von GLP, CVP und FDP betonten in diesem Zusammenhang aber, dass damit keine Harmonisierung der Sozialhilfeleistungen «gegen oben» verbunden sein dürften.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) unterstützt das Rahmengesetz. Die Zuständigkeit der Kantone für die Sozialhilfe soll jedoch grundsätzlich nicht angetastet werden. Die Sozialhilfe hat inzwischen jedoch eine Bedeutung für die Soziale Sicherheit erlangt, die ein Minimum an Koordination auf nationaler Ebene erforderlich macht. Auch die seit längerem angestrebte und immer wichtigere interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen Sozialhilfe, Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung stösst an enge Grenzen, solange nicht einige wenige Standards national festgeschrieben werden.

Verantwortung bei Finanzierung nicht ändern
Mit dem «Rahmengesetz Sozialhilfe» soll nach Meinung des SAV keine Änderung der heutigen Finanzierungsverantwortung angestrebt werden. Ein «Rahmengesetz Sozialhilfe» soll die Verantwortlichkeit des Bundes für die Festlegung der Zuständigkeiten und der Grundsätze der Sozialhilfe sowie die Koordination mit den Sozialwerken anerkennen.

Eine Harmonisierung wäre vielmehr in folgenden Bereichen angezeigt:

  • Regelung der Zuständigkeiten;
  • Festlegung der sozialen und beruflichen Integration als verbindliche Zielsetzungen für die Sozialhilfe (sowohl für Sozialhilfebezüger als auch Leistungsträger);
  • Organisatorische Standards;
  • Verfahrensvorschriften;
  • Koordination der Sozialhilfe mit anderen Systemen der sozialen Sicherheit;
  • Harmonisierung der Sozialhilfe mit weiteren bedarfsabhängigen Leistungen wie Alimentenbevorschussung, Ausbildungsbeiträgen oder Ergänzungsleistungen für Familien;
  • Datenschutz.

Laut Jacqueline Fehr dürfte die Motion in der Sommersession im Nationalrat behandelt werden. Stimmt die grosse Kammer zu und später auch der Ständerat, müsste der Bundesrat einen Vorschlag für ein Sozialhilfe-Rahmengesetz ausarbeiten.