Früherkennung und Reintegration: Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe sind gefordert

21. Januar 2014 News

Fast die Hälfte aller IV-Neurentner erhält vor Eintritt in die IV Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Die Sozialhilfe-Empfänger beziehen durchschnittlich zweieinhalb Jahre Sozialhilfe-Beiträge, bevor sie in die IV eintreten. Viele IV-Neurentner haben also bereits eine lange Sozialhilfe-«Karriere» hinter sich. Das Problem dabei: Die IV investiert viel Geld in die Früherkennung und Reintegration – nur kommt diese Unterstützung für Neurentner und ehemalige Bezüger von Sozialhilfe-Leistungen oder Arbeitslosengeld spät. Dies zeigt eine Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen. Die Untersuchung wirft die Frage auf, ob sich Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe nicht zu wenig auf die Früherkennung von psychisch belasteten Menschen und deren Arbeitsmarktfähigkeit ausrichten.

Gemäss einer Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) bezieht fast die Hälfte aller IV-Neurentner vor Eintritt in die IV Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Auffällig dabei: Bevor die Sozialhilfe-Empfänger von der IV Leistungen beziehen, haben sie von der Sozialhilfe bereits über längere Zeit Beiträge erhalten. Durchschnittlich verweilen sie vor Eintritt in die IV zweieinhalb Jahre in der Sozialhilfe. Mit anderen Worten: Viele IV-Neurentner haben bereits eine lange Sozialhilfe-«Karriere» hinter sich.

In der Vergangenheit wurde immer wieder der Verdacht geäussert, die IV schiebe Lasten an die Sozialhilfe ab. Die Studie des BSV wirft nun allerdings die Frage auf, ob die Praxis der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe nicht zu wenig auf die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Leistungsbezüger ausgerichtet ist. Damit würde die IV über Gebühr belastet – einmal durch vermeidbare Neuverrentungen, einmal durch späte Interventionen. Die IV steckt mittlerweile viel Geld in die Früherkennung von psychisch belasteten Menschen und in Massnahmen, die deren Arbeitsmarktfähigkeit erhalten. Es liegt auf der Hand: Kommen diese Massnahmen erst am Ende einer langen Sozialhilfe-Karriere oder nach langer Arbeitslosigkeit zum Zuge, so sind sie nicht mehr gleich wirkungsvoll wie am Anfang. Je später die Unterstützung einsetzt, desto mehr muss für einen tendenziell geringeren Reintegrationserfolg geleistet werden.

Stefan Ritler, Vizedirektor des BSV und Leiter der Abteilung «Invalidenversicherung», bezeichnet die Studie als Instrument, welches die Wechselwirkungen der Schweizer Sozialversicherungs-Systeme aufzeige. Für den Schweizerischen Arbeitgeberverband tönen die Resultate auch einen Handlungsbedarf an. Mit Blick auf ein besseres Zusammenspiel der Sozialsysteme dürfte es zentral sein, dass sich Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe verstärkt – und anhand standardisierter Prozesse – auf die Früherkennung von psychischen Problemen und die Arbeitsmarktfähigkeit psychisch belasteter Menschen ausrichten.

Die Studie spielt den Ball einerseits dem Bundesrat (Arbeitslosenversicherung), andererseits den Städten und Gemeinden (Sozialhilfe) zu. Auf die Schlüsse, die Bundesrat und Sozialhilfe-Behörden ziehen, darf man gespannt sein.