Ein Plus an Schulden

2. September 2016 Meinungen

Die von den Gewerkschaften lancierte Volksinitiative AHVplus will die AHV-Renten um generell 10 Prozent erhöhen. Egal, ob arm oder reich – alle Rentner sollen davon profitieren. Gewiss, ein Zustupf für die Rentner ist auf den ersten Blick sympathisch. Nur: Haben die Schweiz und ihre Rentner nicht etwas Besseres verdient? Keine Geiss schleckt weg, dass die AHV bereits in finanziellen Nöten steckt. Sie hat bereits in den letzten beiden Jahren mehr ausgegeben als eingenommen. Ohne Gegensteuer wird der jährliche Fehlbetrag nun Jahr für Jahr steigen.

Kurzfristig mag dies noch nicht sonderlich stören. Doch auf Dauer ist diese Entwicklung verheerend für die Sicherheit der AHV. Diese Schieflage ist struktureller Art: Die AHV leidet unter der zunehmenden Alterung der Bevölkerung. Betrug die durchschnittliche Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer für Frauen und Männer im Alter 65 im Jahr 1948 – im Geburtsjahr der AHV – noch 14 bzw. 12 Jahre, so geniessen selbst die Männer ihre Rente bald länger als 20 Jahre, die Frauen bereits deren 24. Die Zahl von derzeit 1,5 Millionen Rentnern in der Schweiz verdoppelt sich in den nächsten dreissig Jahren nahezu auf 2,7 Millionen, während die Zahl der Kinder und Jugendlichen deutlich unter 2 Millionen stagniert.

Immer weniger Beitragszahler müssen darum für immer mehr AHV-Bezüger aufkommen. Finanzierten 1948 noch 6,5 Erwerbstätige eine Rente, werden schon bald nur noch 2 Erwerbstätige diese Last tragen müssen. Die jährliche Finanzierungslücke der AHV wächst stetig und erreicht bereits 2030 schwindelerregende 7 Milliarden Franken – notabene: pro Jahr. Für Bundesrat und Parlament ist deshalb klar: Unsere Rentner haben Besseres verdient als nicht finanzierte Rentenversprechen. Es braucht stattdessen eine ausgewogene, umfassende Rentenreform.

 

Ausgerechnet die Schwächsten hätten «dank» der Initiative Ende Monat sogar weniger im Portemonnaie.

Eine Erhöhung der AHV-Renten mit der Giesskanne um 10 Prozent würde 2030 hingegen noch einmal 5,5 Milliarden Franken kosten. Die AHV 2030 würde ein jährliches Defizit von gegen 13 Milliarden Franken verursachen. Das ist Jahr um Jahr mehr, als der kürzlich eröffnete Gotthardbasistunnel – ein Jahrhundertwerk – einmalig gekostet hat. Wie diese zusätzlich fehlenden Milliarden finanziert werden sollen, lassen die Initianten offen.

Alle Parteien (ausser der SP) und alle Organisationen vom Schweizerischen Verband für Seniorenfragen bis zum Schweizerischen Bauernverband (ausser den Gewerkschaften) gehen denn auch mit Bundesrat und Parlament einig und lehnen diese trügerische Initiative ab. Die Schweiz hat Besseres verdient: eine echte Rentenreform, die unsere AHV vor dem finanziellen Kollaps bewahrt und die Renten langfristig sichert.

Anders ist unser wichtigstes Sozialwerk, das in die Demografiefalle gerät, nicht zu retten. Zwar hat es im AHV-Topf noch Reserven von 44 Milliarden Franken. Doch angesichts der gewaltigen strukturell bedingten Milliardendefizite leert sich dieser unter Einrechnung der Initiative bereits bis 2025 vollständig. Aus einem leeren Topf lassen sich keine Renten bezahlen! Selbst für heutige Rentner ist die Initiative somit ein Eigentor.

Würde die 10-prozentige Rentenerhöhung wenigstens das Los der finanziell schwächsten Rentner verbessern? Fehlanzeige: Die Initiative hätte vielmehr geradezu absurde Folgen für Personen mit tiefen Einkommen. Wer Ergänzungsleistungen (EL) erhält, verliert sogar, weil ihm bei einer steigenden AHV die EL gekürzt werden. Ausgerechnet die Schwächsten hätten «dank» der Initiative Ende Monat sogar weniger im Portemonnaie, weil EL im Unterschied zur AHV nicht zu versteuern sind.

Die unverantwortliche und nicht durchdachte Initiative hat an der Urne nichts Besseres verdient als eine klare Abfuhr.