Altersvorsorge: Berset-Reform droht Totalabsturz

27. November 2014 Medienbeiträge

Der Bundesrat hat die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 verabschiedet und dem Parlament überwiesen. Dieses erwartet nun – ausgerechnet im Wahljahr – eine Herkulesarbeit; denn es muss das vom Bundesrat geschnürte zu teure Projekt innert vernünftiger Frist in verdaubare Portionen umbauen.

Mit dieser Aufgabe beginnt die Sozialkommission des Ständerates, die eine Arbeit übernehmen muss, welche bereits der Bundesrat hätte vornehmen sollen: Die Umsetzung einer Reform in überblick- und finanzierbaren Schritten, klar gestaffelt nach Prioritäten. Stattdessen überwies der Bundesrat getreu dem riskanten Alles-oder-nichts-Prinzip dem Parlament ein Megapaket, dessen Umbau es überfordern könnte.

Bereits im Vernehmlassungsverfahren hatte der Schweizerische Arbeitgeberverband mit seinem Masterplan Reform Altersvorsorge aufgezeigt, wie eine solche Reform von staatspolitischer Bedeutung gelingen würde. Dieser mündete in einen Vorschlag der Wirtschaft, welcher nun mit seinem lösungsorientierten Ansatz den Parlamentariern den Weg aus der aktuellen Sackgasse weisen wird. Denn dem Projekt Berset droht ein Totalabsturz. Viele der in der Vergangenheit gescheiterten Reformvorlagen schafften es aufgrund unheiliger Allianzen von linken und rechten Kräften im Parlament nicht einmal bis zur Volksabstimmung. Bereits jetzt zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Denn erste Stimmen wollen ein Eintreten verweigern und fordern eine Rückweisung an den Bundesrat. In einer solchen Situation sind konstruktive Ansätze gefragt.

Der Reformbedarf ist seit Längerem ausgewiesen
Die demografische Alterung entwickelt sich in den nächsten Jahren zur grössten innenpolitischen Herausforderung. In 30 Jahren wird der Anteil der über 60-jährigen Wohnbevölkerung in der Schweiz 60 Prozent höher sein als heute. Dies wird sowohl auf unsere Sozialwerke wie auch auf den Arbeitsmarkt grösste Auswirkungen haben. Die Wirtschaft will deshalb rechtzeitig die Weichen zur Sicherung der Altersvorsorge stellen – der Reformbedarf ist ausgewiesen, weshalb eine Rückweisung der Reform an den Bundesrat aufgrund des zeitlichen Handlungsbedarfs keine Option sein kann.

Das Reformprojekt Berset ist zu umfangreich und zu teuer. Aber Fehler lassen sich korrigieren. Diese Aufgabe muss das Parlament nun übernehmen, indem es auf das Geschäft eintritt und aus der vorliegenden, allseits unterstützten Gesamtschau über die 1. (AHV) und 2. Säule (berufliche Vorsorge) kleinere Pakete schnürt. In anderen Worten ausgedrückt: Es ist richtig, gleichzeitig in der AHV und in der beruflichen Vorsorge Anpassungen vorzunehmen, denn die Bevölkerung will wissen, wie hoch ihre gesamten Altersleistungen sind. Doch können nicht alle in der Botschaft vorgeschlagenen Reformpunkte gleichzeitig angepackt werden – hier ist eine Etappierung unausweichlich.

Der Bundesrat wirkt als Prophet und will eine Reform, welche auf der Basis heutiger Parameter mit einem viel zu langen Zeithorizont bis 2030 vorwiegend einnahmenseitig ansetzt. Dies ist nicht nur (zu) ambitiös, sondern blendet insbesondere sich klar abzeichnende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt aus. Der Arbeitsmarkt 2030 wird anders aussehen als der heutige. Der bereits bestehende und sich weiter abzeichnende Arbeitskräftemangel wird dazu führen, dass dannzumal auch arbeitsmarktbedingt das Rentenalter höher sein muss als heute. Für die Sicherung der lohnbeitragsfinanzierten Renten wie auch für die Sicherung des Wohlstandsniveaus ein entscheidender Aspekt. Es ist vor diesem Hintergrund inhaltlich falsch, bis ins Jahr 2030 ein Rentenalter 65/65 zu zementieren. So wird die Reform einem langfristig angelegten Sicherungsbedürfnis für Altersrenten und einem funktionierenden Arbeitsmarkt nicht gerecht. Vielmehr führt sie zu Mehrkosten in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr. Mit dem von der Wirtschaft vorgeschlagenen Paket unter Berücksichtigung eines prognostizierbaren Zeithorizonts bis 2025 lässt sich die vom Bundesrat geforderte Mehrwertsteuer-Erhöhung auf 0,6 Prozent halbieren und wird den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts unter gleichzeitiger Sicherung der Altersrenten entsprochen.

Der Artikel von Roland A. Müller erschien in der Handelszeitung.