Lektion zur Weiterbildung

15. Mai 2013 Meinungen

Neue Jobprofile, neue Technologien oder berufliche Veränderungen: Es gibt gute Gründe für Weiterbildung. Aber es gibt auch viele Aspekte, die aus Arbeitgebersicht diskutabel sind.

Da in absehbarer Zeit die erwerbstätige Bevölkerung in der Schweiz stagniert oder sogar schrumpft und sich die Arbeitswelt stetig verändert, wird die Weiterbildung an Bedeutung gewinnen. Naheliegend ist daher der Blick auf das riesige Angebot an Weiterbildungskursen. In der Schweiz werden mehr als 5,3 Milliarden Franken jährlich für Weiterbildung aufgewendet – am häufigsten für Sprach-, Informatik- und Führungskurse. Auch die Arbeitgeber engagieren sich substanziell: Rund die Hälfte aller Weiterbildungsausgaben von Erwerbstätigen werden durch sie getragen. Wird die Kurszeit als weitere und beliebte Finanzierungsform berücksichtigt, werden gar gegen zwei Drittel aller Weiterbildungen von den Arbeitgebern unterstützt.

Weiterbildung bedeutet eben nicht nur Kurse
Weiterbildung wird aber leider oft zu eng mit dem Besuch von Kursen in Verbindung gebracht. Dem informellen Lernen am Arbeitsplatz, etwa dem begleiteten Lernen durch Kollegen oder Vorgesetzte (Coaching), dem Lesen von Fachliteratur oder dem Jobtausch mit einer anderen Filiale (vielleicht in einer anderen Sprachregion) kommt eine mindestens so grosse Bedeutung zu. Zwar gibt es für solche Bildungsleistungen keine Diplome oder Zertifikate. Aber: Hier geht es darum, die beruflichen Aufgaben direkt besser erfüllen zu können. Gute Leistungen sind bekanntlich karriererelevant – ohne den Umweg über Zertifikate – und schlagen sich auch in den Arbeitszeugnissen nieder.

Weiterbildung ist auch ein politisches Thema: Per Mitte Jahr wird die Botschaft zu einem eidgenössischen Weiterbildungsgesetz erwartet. Das wird zu Diskussionen führen: Was ist genau unter Weiterbildung zu verstehen? Braucht es staatliche Regeln zu Qualität und Transparenz der Angebote? Was ist die Rolle der öffentlichen Hand, der Individuen und der Arbeitgeber? Soll der Staat die Weiterbildung finanziell fördern?

Investitionen müssen sich lohnen
Dabei scheinen mir zwei Aspekte zentral: Erstens sind Weiterbildungen, egal in welcher Form, als Investitionen zu sehen. Für die Beteiligten sollte der erwartete Nutzen höher ausfallen als die Investitionen in Schulgeld, Lehrmittel und Prüfungsgebühren sowie die entgangene Arbeits- respektive Freizeit. Solche Investitionen – oft als Hürden beklagt – sind aber durchaus erwünscht: Sie führen nämlich dazu, Weiterbildungen gezielt anzugehen, sie mit realistischen beruflichen Perspektiven zu verbinden und die Kursangebote auf deren Eignung hin genau zu überprüfen. Stimmen diese Parameter, sind die Arbeitgeber oft auch im Boot.

Zweitens darf nicht vergessen werden, dass die Notwendigkeit zu «lebenslangem Lernen» vor allem durch die dynamische Entwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft begründet wird. Die öffentliche Hand muss also dafür sorgen, dass der vorwiegend private Weiterbildungsmarkt auf diese Trends reagieren kann. Es braucht Rahmenbedingungen, die innovative, flexible und bedarfsgerechte Bildungsangebote lancieren. Mögliche Vorschriften zu Qualität oder Transparenz könnten sich aus dieser Perspektive allenfalls sogar als kontraproduktiv erweisen.

Es dürfte dieses Jahr zu spannenden Diskussionen rund um die Weiterbildung kommen. Schade nur: Das eigentliche Lernen wird einem auch in Zukunft niemand abnehmen können – völlig unabhängig von der Politik.