Irrlicht in der Berufsbildungspolitik

25. August 2014 Meinungen

Mit akademisch klingenden Titeln wie «Professional Bachelor» soll die höhere Berufsbildung aufgewertet werden. Doch das ist definitiv der falsche Weg.

Der Nationalrat möchte die Abschlüsse der eidgenössischen Prüfungen und der höheren Fachschulen aufwerten, indem sie den akademischen Titeln angeglichen werden. Der Vorstoss von SP-Nationalrat Aebischer schlägt etwa Berufs-Bachelor, Bachelor-HF oder Professional Bachelor / Master anstelle der eidgenössischen Fachausweise und Diplome vor. Die höhere Berufsbildung sei international nicht bekannt und Berufsleute würden bei Bewerbungen im Ausland benachteiligt, so die Argumentation. Die Benachteiligung nehme auch in der Schweiz zu, da internationale Firmen und Chefs aus dem Ausland eher Fachleute mit akademischen Abschlüssen suchen würden. Sinnigerweise soll man der Akademisierung also ausgerechnet mit akademisch klingenden Titeln zu Leibe rücken. Kann das – mit dem Trick der Umetikettierung – gelingen?

Der Trick besteht darin, die Grenzen zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu verwischen, um die Berufsbildung vom Prestige vermeintlich höher positionierter Abschlüsse profitieren zu lassen. Doch es wird nicht lange dauern, bis das durchschaut wird. Denn Arbeitgeber lassen sich nicht gern täuschen. Und auch einem Berufs-Profi ist nicht gedient, wenn sein Abschluss nach (verspätetem) Hochschulabgänger tönt.

Noch gravierender ist: Die vorgeschlagenen Titel verwischen auch die bewährten Stärken der höheren Berufsbildung und unterwerfen sie dem unpassenden Massstab der Hochschulwelt. Die höhere Berufsbildung kann sich so leider nicht profilieren, zumal sich alle Eckwerte zwischen diesen Bildungsbereichen unterscheiden:

Erstens: Für den Zugang zur höheren Berufsbildung spielt die praktische Erfahrung eine zentrale Rolle – nicht die Matura. Zweitens: Die berufsbegleitenden Ausbildungen sind den Bedürfnissen der Branchen und Teilnehmer angepasst – nicht europäisch normiert. Drittens: Die Inhalte werden von Berufsverbänden (mit-)definiert und von bewährten Berufsleuten vermittelt – und sind nicht Produkt akademischer Freiheiten. Viertens: Die Abschlüsse der höheren Berufsbildung zielen auf die Übernahme von Verantwortung in Firmen – und nicht auf weitere akademische Ausbildungen. Kurz: Der Professional Bachelor entpuppt sich als Irrlicht in der Berufsbildungspolitik.

Wer diesem Irrlicht folgt, fördert nach der formellen Angleichung auch den handfesten Umbau in der höheren Berufsbildung: Mit Normierung (und Verlängerung) der Ausbildung; dominierender staatlicher Finanzierung, die privates Engagement verdrängt; Akkreditierung von (Autonomie anstrebenden) Institutionen; inputorientierten ECTS-Punkten anstelle von outputorientierten Kompetenzen. Das sind gefährliche Ideen, welche die starke und wichtige Verbindung zur Arbeitswelt schwächen.

Richtig dagegen ist der vom Bund eingeschlagene Weg, um die höhere Berufsbildung besser zu positionieren. So gilt es, international verständliche Diplomzusätze und Niveaueinstufungen für die Abschlüsse zu erarbeiten und die Reputation der Berufsbildung national und international zu stärken. Das braucht Zeit und Arbeit, bringt aber echte Transparenz für die Arbeitgeber und dokumentiert die Qualität der höheren Berufsbildung, ohne sie unter unnötigem Zwang zu verändern. Es ist zu hoffen, dass der Vorstoss von Aebischer im Ständerat als Irrlicht erkannt und abgelehnt wird.