Berufsbildungspolitik: Laissez-faire funktioniert nicht!

10. September 2015 Meinungen

Das vor drei Jahren geschaffene Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) lancierte als eine seiner ersten Aktivitäten ein Projekt zur Stärkung der höheren Berufsbildung. Man wollte der Befürchtung entgegentreten, die Berufsbildung würde beim Bund an Stellenwert verlieren.

Die Resultate dieser anspruchsvollen Projektarbeit brachte der Bundesrat vor wenigen Tagen in den weiteren politischen Prozess ein. Die eidgenössischen Prüfungen – ein wichtiger Bildungsbereich – sollen über Mittelerhöhungen und eine subjektorientierte Finanzierung der Vorbereitungskurse gestärkt werden.

Eine erfreuliche Tatsache. Nur: Die Signale mehren sich, dass es dem Staatssekretariat schwerfällt, seine Aufgabe in der strategischen Steuerung und Entwicklung des Berufsbildungs-Systems erfolgreich wahrzunehmen.

Erstens fällt auf, dass dem Bund eine stringente Leitidee fehlt, wenn es um die Rolle der öffentlichen Hand in der Finanzierung der höheren Berufsbildung geht. Ist die höhere Berufsbildung nun eine öffentlich finanzierte Angelegenheit oder soll sie weiterhin primär privat finanziert werden? Die Botschaften sind widersprüchlich: Einerseits möchte der Bund die finanzielle Belastung der Prüfungsabsolventen an diejenige der Hochschulstudierenden angleichen. Andererseits betont er, wie wichtig das finanzielle Engagement der Wirtschaft ist. Besser wäre es klarzustellen: Es kann in der arbeitsmarktorientierten höheren Berufsbildung nur ein abgestimmtes Nebeneinander von privaten Beiträgen, Arbeitgeberbeiträgen und öffentlichen Mitteln geben.

 

Die strategische Steuerung und Entwicklung der Berufsbildung ist eine gesetzlich vorgegebene Aufgabe des SBFI.

Zweitens irritiert die sofortige und öffentliche Kritik der Schweizerischen Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) an besagtem Bundesratsentscheid zur höheren Berufsbildung: In der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen muss etwas schiefgelaufen sein, wenn nach einem mehrjährigen Projekt derartige Differenzen auf diese Weise zutage treten.

Drittens erstaunen die Aussagen des zuständigen Staatssekretärs immer wieder aufs Neue: «Unser Berufssystem reguliert sich selbst», lässt er sich im Migros-Magazin zitieren. Das stimmt auf Ebene der einzelnen Berufe – nicht aber auf der Ebene des Berufsbildungs-Systems. Pikanterweise ist gerade die strategische Steuerung und Entwicklung der Berufsbildung eine zentrale und gesetzlich vorgegebene Aufgabe seines Amtes. Demgemäss schreibt das Gesetz vor, dass der Staatssekretär die Eidgenössische Berufsbildungskommission präsidiert. Von beidem scheint dieser nicht viel zu halten.

Dies alles deutet auf eine derzeit schwache strategische Positionierung des Bundes in der Berufsbildungspolitik hin. Ohne klare Finanzierungsvorstellungen aber weckt der Bund falsche Erwartungen aufseiten der Stakeholder und riskiert Konflikte mit den Kantonen. Und wenn er seine Systemverantwortung für die Berufsbildung zu wenig wahrnimmt, verliert diese an Stellenwert. Die Gefahr: Das private Engagement in der Berufsbildung geht zurück. Das wäre nicht nur unliberal, sondern in Zeiten, in denen gut ausgebildete Fachkräfte gesucht sind, auch völlig unverständlich. Laissez-faire funktioniert in der Berufsbildung nicht!