Verpolitisierung der Sozialpartnerschaft

6. Januar 2014 Meinungen

Immer mehr Themen, die früher auf der Ebene der Sozialpartner verhandelt worden sind, werden heutzutage verpolitisiert. Das ist eine verhängnisvolle Entwicklung.

Mit dem deutlichen Nein von 65,3 Prozent erteilten das Schweizer Volk und sämtliche Kantone der 1:12-Initiative am 24. November 2013 eine klare Abfuhr. Damit wurde ein wichtiges Zeichen – auch gegenüber verunsicherten Unternehmen – mit Blick auf die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gesetzt. Doch bleibt der freie und flexible Arbeitsmarkt weiterhin unter Druck. Eng getaktet wird dieser Standortvorteil infrage gestellt, so durch die SVP-Abschottungsinitiative, über welche am 9. Februar 2014 abgestimmt wird. Bereits im Mai, spätestens im September, erwarten wir die Abstimmung über die Mindestlohn-Initiative, darauf die Ecopop-Initiative und 2015 die Referendumsabstimmung über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien. Noch nie erlebten wir eine derart hohe Kadenz an politischen Schwergewichts-Themen mit Bezug auf den Arbeitsmarkt, die allesamt das Erfolgsmodell Schweiz gefährden.

Das Besondere dabei ist nicht nur die hohe Kadenz an Volksabstimmungen zu diesem Thema an sich, sondern auch die – in dieser Form noch nie da gewesenen – regelmässig abwechselnden Gegenspieler zwischen Links und Rechts. Kaum sind Koalitionen zur Bekämpfung einer Vorlage gebildet, treten beim Themenwechsel genau die wechselseitigen auf! Neben dieser Besonderheit, welche die operative Kampagnenführung strapaziert, wird dies vom Gegner gezielt bewirtschaftet. Geschäft und Gegengeschäft stehen im Vordergrund. So wird beispielsweise gedroht, nur dann die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien unterstützen zu wollen, wenn im Gegenzug die flankierenden Massnahmen – losgelöst von der echten Missbrauchsbekämpfung – weiter ausgebaut werden. Die Gunst der Stunde – so scheint es – gilt es zu nutzen.

Themen, welche früher konsequent von den Sozialpartnern behandelt wurden, werden bewusst verpolitisiert. Der sozialpartnerschaftliche Handlungsspielraum – auch die Einsicht, von Forderungen abrücken zu können – wird damit verbaut. Eine Entwicklung, welche dazu führt, dass sich Fronten verhärten. Zunehmend wird der Staat bemüht. Bisher traditionellerweise auf Ebene der Sozialpartner verhandelte Themen – wie die Mindestlöhne – sollen auf Verfassungsstufe gehoben werden. Dies lässt das Verhalten der Gewerkschaften alles andere als partnerschaftlich erscheinen. Höhere Mindestlöhne mittels Volksinitiative für alle zu fordern, obwohl am Verhandlungstisch in Gesamtarbeitsverträgen das Einverständnis zu tieferen erfolgt, ist doppelzüngig. Die Gewerkschaften sollten sich überlegen, ob dieser Weg zukunftsträchtig ist oder ob damit nicht am eigenen Ast – Beispiele zum Bedeutungsrückgang im Ausland führen es uns vor Augen – gesägt wird. Denn wenn die Sozialpartnerschaft vom gesetzgeberischen Aktionismus verdrängt wird, sinkt die Bedeutung der Gewerkschaften. Dass sie dies selber fördern, lässt aufhorchen.

Es wäre aus Arbeitgebersicht zu wünschen, dass die Sozialpartnerschaft zu ihrer Bedeutung zurückfindet und die entpolitisierte Partnerschaft wieder in den Vordergrund rückt. Geschieht dies nicht und verlagert sich vielmehr die Diskussion über die Arbeitsbedingungen in die Politik, vergibt sich die Schweiz eine Stärke, welche nicht nur als Standortvorteil galt, sondern ihre Geschichte prägte.