Ungesunder Aktivismus

3. März 2011 Meinungen

Mit einem Präventionsgesetz soll auch die Gesundheitsförderung in der Wirtschaft ausgebaut werden. Doch das ist unnötig – und nicht im Interesse der Firmen.

Von einem eidgenössischen Präventionsgesetz soll auch die Wirtschaft profitieren. Ein Mehr an Gesundheitsprävention soll die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung stärken und die Produktivität auch bei einer alternden Bevölkerungsstruktur bewahren. So die Botschaft des BAG. Auch Sozialversicherungskosten sollen eingespart werden können. In den Betrieben stösst man allerdings höchstens auf mässige Begeisterung. Denn Prävention wird auch in den Firmen gelebt. Kommen – fragt man sich – neue Vorschriften und Kontrollen?

Wirtschaft setzt erhebliche Ressourcen ein
Zur Verhinderung von Berufsunfällen und -krankheiten und für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz setzt die Wirtschaft effektiv erhebliche Ressourcen ein. Mit technischen und organisatorischen Anpassungen sowie Schulungen der Mitarbeitenden werden unter Mitwirkung der Arbeitnehmenden konkrete Massnahmen für gesunde und sichere Arbeitsplätze getroffen. Falls nötig erhalten Unternehmen durch Branchenlösungen ihrer Verbände praxisgerechte Unterstützung. Rund 100 Mio. Franken bezahlen die Arbeitgeber darüber hinaus für die Vollzugsaufsicht von Suva und kantonalen Arbeitsinspektoraten mittels Prämienzuschlägen der obligatorischen Unfallversicherung.

Diese grundlegenden Aktivitäten genügen jedoch dem immer umfassender werdenden Gesundheitsverständnis vieler Präventionsfachleute nicht mehr. Das «Setting Arbeitsplatz» scheint diesen Spezialisten geradezu ideal, um Präventionaktivitäten der Betriebe aller Art zu fördern und auch zu fordern. Oft sind die Anliegen sympathisch und plausibel, aber der Zusammenhang mit realen und nachgewiesenen Risiken in den Betrieben nimmt stetig ab und zielt immer mehr auf die private Lebensgestaltung. Mehr Bewegung, gesunde Ernährung, Entspannung, Verzicht auf Rauchen und mässiger Alkohlkonsum – lautet das Mantra der Gesundheitsförderer. Soll es auch in den Unternehmen gesungen werden?

Dem hohen Kampagnenrhythmus der Agenturen, die, mit öffentlichen Geldern alimentiert, die Zielgruppen in den Betrieben ausmachen und bearbeiten, steht eine Wirtschaft mit sehr vielen KMU gegenüber, die – selbst bei gutem Willen – bei dieser Kadenz nicht mithalten können. Zudem sehen sich Unternehmerinnen und Unternehmer selten als Gesundheitsapostel für ihre Mitarbeitenden. Ein Mehr an Prävention riecht zudem nach ausuferndem staatlichen Aktivismus und Bevormundung. Wer mehr tun will, macht es schon heute. Betriebliche Gesundheitsförderung kann eine gute freiwillige Ergänzung zum Arbeitnehmerschutz sein.

Präventionsschub birgt Gefahren
Auch wenn das Präventionsgesetz nicht direkt auf die Firmen zielt, werden diese einen vom Staat angeschobenen Präventionsschub zu spüren bekommen. Dabei besteht die Gefahr, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: klar arbeitsplatzbezogene Risiken und Gesundheitsgefährdungen, die zu minimieren sind. Diese Daueraufgabe ist selbstredend mit Kosten verbunden, mittelfristig jedoch erfolgreich. Die Gefahr der Verzettelung der Kräfte bei weiteren Forderungen ist gross. «Weniger ist mehr», sollte daher auch der Leitsatz für die Politik sein, wenn sich der Nationalrat im April mit dem Präventionsgesetz auseinandersetzt. Auch im Dienst der Gesundheit.