Rückläufige Zuwanderung entlarvt die Polemik

19. April 2016 News

Seit der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative überbieten sich Exponenten aus der Politik mit mehr oder weniger konstruktiven Ideen zur Begrenzung der Zuwanderung. Unsere nördlichen Nachbarn stehen dabei häufig im Fokus der nicht immer sachlich geführten Diskussionen. Der nüchterne Blick auf die Zahlen lässt jedoch aufhorchen und zeigt, dass die Polemik um die Zuwanderung aus EU/Efta-Staaten einer Spiegelfechterei gleichkommt.

Die Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) belegen, dass die Netto-Zuwanderung (Zuwanderung minus Auswanderung) von deutschen Staatsangehörigen seit dem fulminanten Anstieg von 2005 bis 2008 kontinuierlich abgenommen hat und inzwischen weniger als 6500 Personen beträgt. Seit 2014 liegen zudem die Netto-Zuwanderung aus Italien und jene aus Frankreich niveaumässig über derjenigen Deutschlands. Die abnehmende Tendenz zeigt sich in den letzten beiden Jahren auch bei der gesamteuropäischen Netto-Zuwanderung: Diese ging seit 2013 um mehr als 12’000 Personen zurück.

Eine der Hauptursachen des Zuwanderungsrückgangs aus dem europäischen Raum dürften die sinkenden Erwerbslosenquoten in den Herkunftsländern sein. Allen voran in Deutschland, wo sich seit Ende 2009 die Erwerbslosenquote anhaltend rückläufig entwickelt. Die dort florierende Wirtschaft ermutigt die Unternehmen, neue Stellen zu schaffen und Landsleute auch aus der Schweiz anzuwerben. Den starken Rückgang der deutschen Netto-Zuwanderung nur durch die tiefere Erwerbslosenquote im nördlichen Nachbarland zu erklären, greift jedoch zu kurz. Vielmehr ist auch davon auszugehen, dass die kontrovers und zuweilen polemisch geführten Diskussionen um die Zuwanderung die ausländischen Arbeitskräfte befremdet und sie zusätzlich ermutigt, sich vom Schweizer Arbeitsmarkt abzuwenden. Die Abnahme der Netto-Zuwanderung von deutschen Staatsangehörigen beruht neben den tieferen Zuwanderungszahlen auch auf der Zunahme der Auswanderungen. Der deutsche Anteil an der gesamteuropäischen Netto-Zuwanderung sank von beinahe 53 Prozent im Jahr 2006 auf gerade mal noch 12 Prozent im Jahr 2015. Daneben trägt die Netto-Zuwanderung aus Italien (22 Prozent), aus Frankreich (15 Prozent) und aus Portugal (12 Prozent) am stärksten zur gesamteuropäischen Netto-Zuwanderung bei.

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist auf qualifizierte Zuwanderung aus EU/Efta-Staaten zwingend angewiesen, will man die seit Jahren anhaltend prosperierende Wirtschaft mit der im internationalen Vergleich sehr tiefen Erwerbslosenquote und dem hohen Lohnniveau aufrechterhalten. Die mehrheitlich gut ausgebildeten Arbeitskräfte gehören zu den mobilsten ihrer jeweiligen Herkunftsländer. Eine sich relativ zur Schweiz verbessernde Wirtschaftslage in diesen Ländern kann somit rasch dazu führen, dass sich die Zu- und Auswanderungszahlen aus EU/Efta-Staaten zuungunsten der Schweiz entwickeln. Es ist somit mehr als angezeigt, die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass diese unverzichtbaren Arbeitnehmenden der Schweiz nicht den Rücken kehren.