Keine Zeit zum Taktieren bei der Zuwanderungs-Initiative

13. Februar 2015 Meinungen

Für seinen Vorschlag zur Umsetzung der SVP-Masseneinwanderungsinitiative (MEI) hat der Bundesrat in den ersten Reaktionen mehr Tadel als Lob einstecken müssen. Von Links wird ihm vorgeworfen, Reformen im Innern wie etwa den Schutz vor Lohndumping verschlafen zu haben. Die SVP wittert im etappierten Vorgehen gemäss ihrem Parteipräsidenten eine «Schlaumeierei», um nach den Wahlen auf eine neue Volksabstimmung pochen zu können. Und die CVP wirft der Landesregierung Mutlosigkeit vor, weil sie nach CVP-eigener Lesart seit dem Juni 2014 keinen Schritt weitergekommen sei.

Jenseits parteipolitischen Kalküls wird bei näherem Hinsehen klar, dass mit dem Vorgehen «Schritt um Schritt» (Bundespräsidentin Sommaruga) eine Verhandlungstaktik gewählt worden ist, mit der die Verhandlungsführung vor allem aussenpolitisch flexibler agieren kann. So kann sie gegenüber der EU mit der erklärten Absicht einer strikten Umsetzung der MEI in den Ring steigen, um bei einem allenfalls sich anbahnenden Scheitern der Verhandlungen quasi in der letzten Runde auf eine weichere Kompromisslösung einzuschwenken.

 

Jetzt ist die Zeit der mutigen Strategen angebrochen.

Dies mag aus verhandlungstaktischer Sicht ein kluger Schachzug sein. Er ist aber nicht ohne erhebliche Risiken. Ein Spiel auf Zeit sendet zudem die falschen Signale an die Schweizer Wirtschaft. Spätestens seit der abrupten Erstarkung des Frankens nach der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro durch die Schweizerische Nationalbank hat sich die Wirtschaftslage schlagartig verschlechtert. Wenn nun auch noch langwierige und riskante Verhandlungen mit der EU dazukommen, spitzt sich die Ungewissheit nochmals dramatisch zu. Bekanntlich ist Unsicherheit Gift. Sie wird den Wirtschaftsführern hierzulande letztlich keine andere Wahl lassen: Sie werden von Investitionen absehen, Arbeitsplätze ins Ausland verlagern und weitere Sparmassnahmen einleiten. Als Gegengift wirkt einzig, durch die Normalisierung der Beziehungen zur EU, dem grössten Handelspartner der Schweiz, schnell wieder Standortsicherheit zu schaffen.

Dafür setzt sich der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) vehement ein. Er will die Entscheidungsträger zur Einsicht bewegen, dass zu viel auf dem Spiel steht und darum keine Zeit mehr zum Taktieren bleibt. Jetzt ist die Zeit der mutigen Strategen angebrochen. Das kann nur heissen, dass die MEI rasch und unter Wahrung der Bilateralen Verträge umgesetzt wird. Der SAV hat seine Vorstellungen auf den Tisch gelegt: FZA-nahe Umsetzung der MEI durch Ausnützung des verfassungsrechtlichen Spielraums unter Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Interesses, ergänzt durch eine Schutzklausel. Es liegt nun an der Landesregierung, das Heft in die Hand zu nehmen.