Gute Politik ist gefragt

4. Juli 2011 Meinungen

Die Kritik an der Personenfreizügigkeit mit der EU ist verfehlt: Sie blendet die Vorteile und den Nutzen der Arbeitsmarktöffnung für unser Land und unsere Unternehmen weitgehend aus.

Die meisten Ökonomen und Unternehmer sind sich einig, dass die Zuwanderung aus den EU-17/Efta-Staaten sowohl für den Boom unserer Wirtschaft von 2004 bis 2008 wie auch für die Dämpfung der Rezession und den raschen Wiederaufschwung von entscheidender Bedeutung war. In einer längerfristigen Perspektive wird klar, dass die Personenfreizügigkeit (PFZ) wachstumshemmende Lücken des Arbeitsmarkts füllt. Die gute Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften ist für unsere hochentwickelte Volkswirtschaft zentral, kann aber allein aus dem relativ kleinen inländischen Arbeitsmarkt heraus nicht gewährleistet werden. Die Rekrutierung in der EU/EFTA – und selektiv – in so genannten Drittländern bietet die nötige Ergänzung und hat sich auch in qualitativer Hinsicht bewährt: Die Ausbildung der Migranten aus den EU-17/Efta- Staaten ist überdurchschnittlich gut, und ihre Erwerbsquote übertrifft gar jene der Schweizer. Das Arbeitskräfte-Angebot hat also jene strukturelle Stärkung erfahren, die unsere Wirtschaft für das langfristige Wachstum braucht.

Einseitige Zugangsregeln sind keine Alternative
Gegner der PFZ führen ins Feld, die Schweiz müsse die Zuwanderung autonom steuern. Dank ihrer Attraktivität könne sie selbst auswählen, welche ausländische Arbeitskräfte sie brauche. Diese Argumentation blendet aus, dass die Attraktivität der Schweiz wesentlich von der Arbeitsmarktöffnung gegenüber der EU bestimmt wird. Einseitige Zugangsregeln sind keine Alternative. Die Rückkehr zum Kontingentsregime wäre eine Rückkehr zu mehr administrativem Aufwand und einer erhöhten Entscheidungs-Unsicherheit sowohl für die Unternehmungen wie auch für die ausländischen Arbeitskräfte. Die Allokation der Arbeitskräfte würde (wieder) durch behördliche Entscheidungen statt durch die Nachfrage der Unternehmungen gesteuert, was höchstens Anhänger der Planwirtschaft freuen könnte. Der Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt wäre zudem nicht sichergestellt, und ohne Freizügigkeitsabkommen entfielen auch die euopaweit geltenden Regeln über die Koordination der Sozialversicherungen und die Diplomanerkennung. Die Mobilität der Arbeitskräfte würde entscheidend behindert.

Insgesamt positive Bilanz
Aus nunmehr sieben «Observatoire»-Berichten des Bundes wissen wir, dass die PFZ nicht zu nennenswerten Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führt. Die Zuwanderung folgt den Bedürfnissen der Wirtschaft und führt nicht zur signifikanten Verdrängung inländischer Arbeitskräfte. Sie hat keinen negativen Einfluss auf die tieferen Löhne und dämpft höchstens die Entwicklung der oberen Gehälter. Es erfolgt keine Einwanderung in die Sozialwerke, die im Gegenteil von den überdurchschnittlichen Beitragszahlungen der neuen ausländischen Arbeitskräfte profitieren. Allerdings hat der jüngste Bericht über den Vollzug der Flankierenden Massnahmen gezeigt, dass die PFZ da und dort zu Lohndumping missbraucht wird. Hier muss korrigiert werden, weil sonst die Akzeptanz der PFZ Schaden nimmt.

Insgesamt ist die PFZ ein Gewinn für die Schweiz, auch wenn wir die Folgen für den Immobilienmarkt, die Infrastrukturen oder im gesellschaftlichen Bereich nicht übersehen. Aber diese Folgen können mit einer guten Politik so weit abgefedert werden, dass die Gesamtbilanz deutlich positiv bleibt. Statt die PFZ in Frage zu stellen, sollten wir also gute Politik machen!