Gemischte Teams gewinnen

22. April 2015 5 Fragen an...

Die Lancierung der Publikation «Frauen im Verwaltungsrat – 400 Vorschläge für Schweizer Gesellschaften» hat ein beachtliches Echo ausgelöst. Dass sich Vielfalt in den Verwaltungsräten auszahlt, wurde in den Medien mehrheitlich anerkannt. Für einige Kommentatoren ist das Projekt aber nur ein weiterer Schritt auf einem langen Weg zu einem höheren Frauenanteil in den obersten Führungsgremien. Wir fragen nach bei Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands.

Herr Vogt, einige Frauen vermissten in der Publikation «Frauen im Verwaltungsrat – 400 Vorschläge für Schweizer Gesellschaften» ihnen bekannte Gesichter. Andere wollten wissen, wie die Frauen ausgewählt wurden. Wie haben sie die geeigneten Frauen gefunden?
Die Publikation erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch sind die zugrundeliegenden Kriterien die einzig möglichen. Wir wählten Frauen aus, die als Verwaltungsrätinnen für eine Gesellschaft mit mehr als 100 Mio. Franken Jahresumsatz oder 400 Mitarbeitenden geeignet sind. Zudem achteten wir auf eine breite Branchendurchdringung, wobei wir ein besonderes Augenmerk auf Kandidatinnen in sogenannten Männerdomänen wie IT, Industrie, oder Immobilien richteten. Die Nationalität spielte übrigens keine Rolle. Wir prüften allerdings, ob die Kandidatinnen mindestens eine Landessprache beherrschen.

In den Medien war zu lesen, dass der Arbeitgeberverband eine Vermittler-Plattform für Verwaltungsrätinnen aufbauen wolle.
Das stimmt so nicht. Wir wollten mit dem Projekt keine neue Vermittlungsplattform schaffen. Richtig ist vielmehr, dass die Publikation gemeinsam mit den Projektpartnern von Beginn weg als einmalige Aktion geplant worden ist. Darum werden wir die Publikation auch nicht nachführen und neu auflegen. Wir haben durch die Studie im Oktober 2013 festgestellt, dass ein Bedürfnis nach Unterstützung besteht. Der Arbeitgeberverband hat darauf die Projekt-Initiative ergriffen und sich als Herausgeber der Publikation zur Verfügung gestellt. Für die Projekt-Partner, die im Alltag auch ab und zu Konkurrenten sind, war es ein gemeinsames Ziel, einen Impuls zu setzen und die Sichtbarkeit geeigneter Frauen zu verbessern. Zudem soll die Publikation ein Arbeitsinstrument sein, das eine erste Übersicht über potenzielle Kandidatinnen in aggregierter Form erleichtert. Es wird weiterhin Aufgabe spezialisierter Executive-Search-Firmen und Board-Search-Organisationen sein, die Verwaltungsräte bei der Selektion von geeigneten Frauen wirksam zu unterstützen.

Wird sich der Frauenanteil in den Verwaltungsräten dank dieser Initiative wirklich messbar beschleunigen?
Veränderungen in der Zusammensetzung der Verwaltungsräte brauchen allein schon deshalb Zeit, weil die Verweildauer in einem Gremium mit strategischer Perspektive rund 8 Jahre beträgt. Wir können aber seit dem Jahr 2012 in der Schweiz einen eigentlichen Boom bei der Besetzung von obersten Führungsgremien mit Frauen feststellen. Im Jahr 2014 kam bereits bei jeder dritten neu zu besetzenden VR-Position eine Frau zum Zuge. Zudem ist gemäss dem Schilling-Report bereits bei 73 Prozent der Top-100-Unternehmen mindestens eine Frau im obersten strategischen Gremium vertreten. Aufgrund dieser Dynamik ist es nicht gewagt zu prognostizieren, dass bis im Jahr 2020 in der Schweiz ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht sein wird.

Was ist das grösste Hindernis, das noch ausgeräumt werden muss, damit ein Frauenanteil von 30 Prozent nicht nur erreicht, sondern überschritten werden kann?
Vor 10 Jahren gab es eindeutig zu wenig qualifizierte Frauen, die das Rüstzeug für ein Verwaltungsratsmandat hatten. Inzwischen ist es, das zeigt unsere Publikation mit den 400 Profilen eindrücklich, kein Angebots-, sondern ein Matching-Problem. Zwar haben die Verwaltungsratspräsidenten die Vorteile einer Durchmischung erkannt und setzen sich auch dafür ein. Das Rekrutierungsverhalten ist aber immer noch geprägt davon, dass ein Grossteil der hinzuzuwählenden Verwaltungsräte aus dem eigenen Netzwerk stammt. Weil die Frauen sich ebenfalls häufig in eigenen Netzwerken organisieren und bewegen, kommt der «Blick über den Tellerrand» manchmal zu kurz.

Was entgegnen Sie Kritikern, die das Projekt als Ablenkungsmanöver abtun, um eine gesetzliche Regelung auf VR-Stufe in der Schweiz abzuwehren?
Mit diesem Vorwurf mussten wir rechnen. Wir haben aber das Projekt lanciert, bevor der Bundesrat beschlossen hat, eine VR-Quote in die Vernehmlassung des Aktienrechtes zu schicken. Generell kommt der Ruf nach Quoten aus der Politik immer zu spät. Zudem werden uniforme Quoten der Schweiz mit ihrer föderalen Demokratie und diversifizierten Wirtschaft nicht gerecht. Erinnern wir uns an die Forderung nach der Einführung von Quoten für Lehrlinge, die vor zehn Jahren aufgrund des Mangels an Lehrlingsplätzen erhoben wurde. Inzwischen bleiben jedes Jahr Lehrstellenplätze unbesetzt. Auch die jetzt aufkeimende Quotendebatte scheint mir eine Effekthascherei. Denn die Wirtschaft hat längst erkannt, dass gemischte Teams nachhaltigere und voraussehbarere Ergebnisse nach sich ziehen. Das ist eine ideale Grundlage für eine systematische, eigenverantwortliche Frauenförderung in den Unternehmen – ganz ohne Quotenregelungen.