Starre Regeln für Löhne und Sozialpläne schaden der Schweiz

9. April 2013 Medienmitteilungen

Neue Regulierungen bei den Löhnen und auf dem Arbeitsmarkt gefährden den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Schweiz: Der Schweizerische Arbeitgeberverband lehnt die «1:12»-Initiative deshalb genauso ab wie eine gesetzliche Sozialplanpflicht für Unternehmen. Zudem fordert er, dass Reform-Versprechen bei den Sozialwerken eingehalten werden und die Sanierung der nach wie vor hoch verschuldeten Invalidenversicherung konsequent vollendet wird.

Die Annahme der Minder-Initiative hat klar gemacht, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Lohnexzesse ablehnt und die Sensibilität für gerechte Löhne zunimmt. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) hat dafür Verständnis, wie Präsident Valentin Vogt an der Medienkonferenz in Bern bekräftigte. Der SAV begrüsst die Absicht des Bundesrats, die Minder-Initiative zügig umzusetzen. Der Verband hat aber kein Verständnis, dass Linksparteien und Gewerkschaften die emotionale Debatte über «Abzocker» nun ausnützen wollen, um mit Regulierungen wie der «1:12»-Initiative oder der Mindestlohn-Initiative in die Lohnfreiheit der Unternehmen einzugreifen. Solche Eingriffe würden den freien Arbeitsmarkt gefährden, der für die starke Position des Standorts Schweiz massgebend ist – und von dem auch die Arbeitnehmenden profitieren: mit einer hohen Erwerbsbeteiligung, einer tiefen Arbeitslosigkeit, ausgebauten Sozialleistungen und hohen Löhnen. Dabei zeigt das Lohnspektrum in der Schweiz im internationalen Vergleich nach wie vor moderate Unterschiede zwischen Top- und Niedriglöhnen. Valentin Vogt forderte deshalb dazu auf, bei Debatten um Löhne pragmatisch zu bleiben. Das gilt besonders für die «1:12»-Initiative, die der SAV entschieden ablehnt. Vogt hob neben den bekannten ordnungspolitischen Gründen folgende Argumente hervor:

  • Die «1:12»-Initiative setzt falsche Prioritäten, weil sie auf die überrissenen Löhne einer kleinen Minderheit abzielt – und dabei erhebliche materielle Risiken für das Gros der Arbeitnehmenden in Kauf nimmt. Bei einer Annahme würde die 1:12-Regel die Lohnpolitik in ein derart enges gesetzliches Korsett zwingen, dass gerade international tätige Unternehmen gezwungen wären, nach Alternativen zu suchen. Zu rechnen wäre etwa mit der Auslagerung von Niedriglohn-Tätigkeiten an Dritte, mit der Aufteilung von Unternehmen, mit dem Ersatz von Löhnen durch andere Entschädigungen oder – im schlimmsten Fall – mit der Verlagerung ganzer Unternehmen oder Unternehmensteile ins Ausland.
  • Eine starke Kürzung von Spitzenlöhnen hätte massive Ausfälle von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zur Folge, von deren Umverteilungseffekten heute in erster Linie die Bezüger niedriger und mittlerer Einkommen profitieren.

Valentin Vogt betonte, dass die «1:12»-Initiative nicht nur die Freiheit der Unternehmen, sondern auch die materiellen Interessen aller Arbeitnehmenden tangiere: «Die Initiative bringt überhaupt keine realen Vorteile, schadet aber am Ende den Arbeitnehmenden.»

Sozialplanpflicht schadet den Unternehmen und dem Arbeitsmarkt
Auf der Traktandenliste für die kommende ausserordentliche Session des Nationalrats steht mit der gesetzlichen Sozialplanpflicht für Unternehmen eine weitere Regulierung gegen den freien Arbeitsmarkt. Im Rahmen der Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (SchKG) sollen alle Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, die innert 30 Tagen mindestens 30 Mitarbeitende entlassen wollen, zur Aushandlung eines Sozialplans mit ihren Arbeitnehmenden verpflichtet werden.

Der SAV wendet sich entschieden gegen diese Verschärfung der Massenentlassungs-Regeln – und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine gesetzliche Sozialplanpflicht verstösst gegen die Tradition der Kündigungsfreiheit und interveniert in eine klassische Domäne der Sozialpartner. Diese haben sich in den Gesamtarbeitsverträgen auf Regelungen über die Aushandlung von Sozialplänen geeinigt – und gestützt darauf differenzierte «Sozialplan-Kulturen» entwickelt, welche den branchenspezifischen Bedürfnissen und Besonderheiten Rechnung tragen. Eine starre Normierung der Sozialplanpflicht im Gesetz würde solche sozialpartnerschaftliche Regelungen aushebeln.
  • Eine gesetzliche Sozialplanpflicht würde nötige Restrukturierungen oft stark behindern und verteuern. Erfahrungen im Ausland zeigen zudem, dass Unternehmen unter einem rigiden Sozialplan-Regime weniger Personal einstellen, weil sie die Kosten von Abbaumassnahmen fürchten. Dieser «Lock-out»-Effekt hat negative Effekte auf die Beschäftigung und ist weder im Interesse der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer.

Der vorgelegte Entwurf für die Sozialplanpflicht wirft zahlreiche Interpretationsfragen auf und öffnet ein weites Feld für rechtliche Auseinandersetzungen. Weil die Unternehmen solche Konflikte möglichst vermeiden wollen, besteht die Gefahr, dass sie in den Sozialplan-Verhandlungen von der Arbeitnehmerseite unter Druck gesetzt werden können.
Nach Ansicht von SAV-Direktor Thomas Daum handelt es sich bei der vorgeschlagenen Sozialplanpflicht im Rahmen des Sanierungsrechts um ein «fragwürdiges Kompensationsgeschäft» und einen «politischen Kuhhandel». Der SAV fordert den Nationalrat deshalb auf, die Sozialplanpflicht wieder zu streichen.

Sanierung der Invalidenversicherung ernsthaft gefährdet
Kritik übt der SAV am Vorgehen des Parlaments bei der Invalidenversicherung (IV): Weil sowohl der National- als auch der Ständerat erheblich von den Sparzielen der IV-Revision 6b und den ursprünglich vorgeschlagenen Massnahmen für Rentenkürzungen abgerückt sind, bleibt die IV ein Sanierungsfall. Dies bekräftigte Direktor Thomas Daum mit Verweis auf folgende Fakten:

  • Trotz des positiven Umlage- und Betriebsergebnisses per Ende 2012 kann von einer nachhaltigen Erholung keine Rede sein. Nach wie vor steuert die bis Ende 2017 befristete Zusatzfinanzierung aus der Mehrwertsteuer-Erhöhung rund 1,1 Milliarden Franken jährlich zum Ergebnis bei. Dazu kommt, dass der Bund den Zins auf die IV-Schuld zugunsten der AHV in vollem Umfang übernimmt. Ohne diese Massnahmen wäre das Ergebnis der IV nach wie vor klar negativ. Ausserdem betrug die IV-Schuld, die dem AHV-Fonds zurückerstattet werden muss, Ende 2012 noch immer 14,352 Milliarden Franken.
  • Der Zwischenstand bei der Revisionsvorlage 6b ist aus Sicht des SAV nach der Ständerats-Debatte absolut unbefriedigend. Behindertenorganisationen lehnen die Revision ab, weil das geänderte Rentenmodell die volle IV-Rente erst bei einem IV-Grad von 80 statt 70 Prozent gewährt und weil nach der neuen Stabilisierungsregel (Schuldenbremse) auch die Leistungen eingefroren werden. Die Befürworter der IV-Sanierung kritisieren dagegen das massive Abweichen vom Sparkurs und die primär einnahmenseitig ansetzende Stabilisierungsregel. Die aktuelle Vorlage läuft deshalb Gefahr, in einer Referendumsabstimmung Schiffbruch zu erleiden, wenn sie nicht schon in der parlamentarischen Schlussabstimmung in der Sommersession scheitert. Der SAV bedauert insbesondere, dass die Vorlage gesplittet wurde – und damit auf ein Sparpotenzial von rund 155 Millionen Franken verzichtet wird. Damit ist auch ein akzeptabler Kompromiss mit gekürzten Elternzulagen verunmöglicht worden.

Thomas Daum bekräftigte die Forderung, dass die IV-Rechnung unter allen Umständen per Ende 2017 ohne Sonderfinanzierungen ausgeglichen sein müsse. Zudem seien die Schulden der IV gegenüber dem AHV-Fonds zwischen 2025 und 2028 zu tilgen.

Wer diese Ziele mit riskanten Wetten auf die Zukunft in Frage stelle, stosse all jene vor den Kopf, die den Versprechungen vor der Volksabstimmung geglaubt und deshalb der Erhöhung der Mehrwertsteuer zugestimmt hätten, betonte Daum. Bei der IV gehe es auch um die Glaubwürdigkeit der Akteure im Hinblick auf künftige Sozialversicherungs-Revisionen. Leider liefere der Bundesrat dazu ein weiteres schlechtes Beispiel, indem er im Rahmen seines Sparpakets «KAP 2014» frühere Vereinbarungen über die Verzinsung der IV-Schuld zum Schaden der AHV wieder ändern wolle. «Das ist nicht akzeptabel», bekräftigte Daum: «Hier muss im Interesse der AHV und einer glaubwürdigen Sozialpolitik korrigiert werden.»