«Mittelfristig müssen wir länger arbeiten, um genügend Arbeitskräfte zu haben»

3. Januar 2018 Medienbeiträge

Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt ist gebürtiger Wangner. Der Kanton Schwyz befinde sich in einer Phase des Umbruchs, sagt er im Interview zum Jahreswechsel. Das AHV-Alter könnte ab 2030 für Frauen und Männer bei 66 Jahren liegen.

Alle reden derzeit von der Digitalisierung der Wirtschaft. Worauf müssen wir uns gefasst machen? Übernehmen bald die Roboter unsere Arbeit?
Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung für die Schweiz eher eine Chance als eine Gefahr. Der Prozess der Digitalisierung läuft ja schon seit Jahren. Sie ist eine Evolution und keine Revolution, wie das fälschlicherweise oft gesagt wird. Die Digitalisierung wird wie bisher Schritt um Schritt weitergehen.

Das heisst doch, dass wir immer weniger Arbeit haben.
Ich sehe aber keinen Grund zur Panik. Die Geschwindigkeit des Wandels wird jedoch zunehmen. Aber die Schweiz ist gut vorbereitet. Wir haben eine gute IT-Infrastruktur, die Bildung ist auf einem hohen Stand. Der Arbeitsmarkt funktioniert und lässt Stellenwechsel zu. Wir dürfen nicht vergessen: Bereits heute unterschreiben rund 500’000 Mitarbeiter jährlich einen neuen Arbeitsvertrag. Die Hälfte davon verändert sich innerhalb des gleichen Betriebs.

Keine Panik?
Nein, die weitere Rationalisierung in unserer Arbeitswelt ist auch notwendig. Es darf aber nicht vergessen werden, dass wegen der demografischen Entwicklung in der Schweiz in zehn Jahren rund eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen werden. Es bleibt also noch genug Arbeit für alle.

Wie stark trifft die Digitalisierung den Kanton Schwyz mit seiner stark kleingewerblich orientierten Wirtschaft?
Der Kanton Schwyz steckt derzeit mitten in einer Transformationsphase, es findet ein Übergang statt. Die Region Ausserschwyz ist auf dem Weg zu einer Dienstleistungsregion, während der innere Kantonsteil noch stark gewerblich orientiert ist.

Zum Nachteil von Innerschwyz?
Das denke ich nicht, auch wenn sich die Bevölkerung und die Wirtschaft werden anpassen müssen. Auch das Gewerbe arbeitet heute digital, bestellt Material oder Werkzeuge per Internet. Aber Platten wird niemand digital verlegen können. Auch Schreinerarbeiten bleiben in Zukunft, nur als weiteres Beispiel, den Handwerkern überlassen.

Das heisst?
Ich bin überzeugt, dass das Handwerk auch in der Zukunft goldenen Boden haben wird. Die Schwyzer Gewerbler sind ja bekannt für ihre gute Qualität und ihre hohe Kundenorientierung. Ich sehe jedenfalls viele Schwyzer Handwerker auch im Kanton Zürich Aufträgen nachgehen. Wären sie nicht sehr gut, hätten sie auf dem Markt keine Chance.

Sie stammen aus der March und wohnen jetzt im Kanton Zürich. Wie nehmen Sie Ihre alte Heimat von aussen wahr? Rosinenpicker oder ein Hort von Steuerflüchtlingen?
Ich bin Bürger von Wangen und habe nach wie vor eine grosse Sympathie für den Kanton Schwyz. Ich nehme den Kanton Schwyz positiv wahr.

Weshalb?
Es ist augenscheinlich. Hier bewegt sich etwas, der Kanton Schwyz ist einer Phase der Transformation. Es gilt aber, dass er ein Gleichgewicht für sich und die Schwyzer Bevölkerung findet. Das meine ich in Bezug auf die Infrastruktur oder auch was die Solidarität zwischen Inner- und Ausserschwyz betrifft. Es ist sehr wichtig, dass diese Solidarität spielt. Und ein Kanton kann nicht nur wachsen, ohne seine Infrastruktur so anzupassen, dass es den Leuten wohl ist. Was mir aber sehr gefällt, sind Innovationen wie etwa die Stoosbahn. Es ist toll, dass man im Kanton Schwyz den Mut hat, solche Projekte anzupacken.

Schwyz hat die tiefste Steuerabschöpfung schweizweit.
Deshalb finde ich das föderalistische System so gut. Die Steuerpolitik muss für Schwyz und seine Bewohner stimmen. Schwyz und Zürich sind nicht vergleichbar, ebenso wie Zürich und Neuenburg nicht einfach verglichen werden können. Deshalb soll der Bund bei der Steuervorlage 2017 die Instrumente vorgeben. Jeder Kanton soll dann selber entscheiden, welche dieser Instrumente er einsetzen will.

Die Pendlerbilanz ist nach wie vor sehr schlecht. Vor allem den inneren Kantonsteil müssen Tausende täglich verlassen, weil sie auswärts arbeiten. Was läuft falsch?
Das ist wie die Frage vom Huhn und vom Ei. Es braucht sicherlich zuerst eine attraktive Infrastruktur, sodass sich Unternehmen überlegen, sich im Kanton Schwyz anzusiedeln. Haben die Leute einmal durch die Arbeit im Kanton Schwyz Fuss gefasst, besteht die Chance, dass sie auch dort heimisch werden. Es muss also zuerst investiert werden, um dann auch ernten zu können. Nach Pfäffikon pendeln ja bereits viele täglich aus dem Kanton Zürich.

Skeptiker kritisieren die Wirtschaftsförderung. Sie zahle sich nicht aus, der Staat halte sich da eh besser heraus.
Ich glaube, die Wirtschaftsförderung ist per se etwas Gutes. Es braucht auch für die Ansiedlung von neuen Unternehmen eine aktive Verkaufsförderung. Es muss den Unternehmen aufgezeigt werden, was für Vorteile die einzelnen Kantone haben. Das gilt auch für den Kanton Schwyz. Die Zeiten sind vorbei, in denen Firmen einfach von sich auskommen. Aber Aufwand und Ertrag müssen stimmen. Soweit ich das beurteilen kann, scheint das im Kanton Schwyz der Fall zu sein.

 

66/66 als Referenzrentenalter dürfte ab Anfang 2030 eine Zielgrösse sein wird.

Trotzdem: Auch beim BIP ist der Kanton Schwyz in der Rangliste der Kantone weit hinten. Er holt zwar auf. Aber wer auf einem so tiefen Niveau startet, kann schnell schöne Zahlen präsentieren.
Das ist ein langer Prozess, in dem sich der Kanton Schwyz befindet. Der Kanton Schwyz ist gut unterwegs, in Ausserschwyz sieht man schon länger grössere Erfolge. Ich bin überzeugt, dass die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts sich auch im inneren Kantonsteil zum Guten entwickeln wird.

Der Arbeitgeberverband hat aktiv für die Ablehnung der Rentenreform gekämpft. Jetzt gehts nicht mehr voran.
Es war wichtig, dass wir diese Scheinreform bekämpften und dass sie am Schluss an der Urne abgelehnt wurde. Wir können uns einen Ausbau der finanziell angeschlagenen AHV nicht leisten, es geht darum, die heutigen Renten zu sichern. Den Vorschlag des Bundesrats für die Neuauflage der Rentenreform, den er vor Weihnachten gemacht hat, erachten wir als zielführend.

Wie soll es denn Ihrer Meinung nach bei der AHV weitergehen?
Wir wollen eine Angleichung des Rentenalters für Männer und Frauen auf 65. Dazu soll die Mehrwertsteuer moderat erhöht werden. Zusätzlich braucht es ein soziales Element, um die Auswirkungen etwas abzufedern.

Eine Erhöhung auf das AHV-Alter 65 ist doch nur der erste Schritt. Am Schluss wollen Sie zusammen mit der FDP und SVP das AHV-Alter 70. Werden wir bald mit 70 noch arbeiten müssen?
Nein, ein AHV-Alter 70 ist aus heutiger Sicht nicht realistisch. Aber wer heute Mitte 40 ist, muss sich wohl oder übel darauf einstellen, dass er künftig länger arbeiten muss. Ich denke, dass 66/66 als Referenzrentenalter ab Anfang 2030 eine Zielgrösse sein wird. Aber Angst oder gar Panik zu haben, dass Männer und Frauen, die heute in der Mitte ihres Erwerbslebens stehen, erst mit 70 pensioniert werden, ist unrealistisch.

Wer über 50 ist, findet heute vielfach gar keinen Job mehr. Eine Rentenerhöhung macht keinen Sinn.
Der Arbeitsmarkt wird in zehn Jahren völlig anders aussehen als heute. Es wird mehr ältere und viel weniger junge Arbeitnehmer geben. Das bedeutet, dass ältere Personen auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben werden. Eine Million Menschen geht in der Schweiz in den nächsten zehn Jahren in Pension. Mittelfristig werden wir auch länger arbeiten müssen, um überhaupt genügend Arbeitskräfte zu haben.

Wie sehen Ihre Wirtschaftsprognosen für das kommende Jahr aus?
Im Jahr 2017 ist es seit den Sommerferien zu einer deutlichen Erholung in der Schweizer Wirtschaft gekommen. Es geht wieder klar vorwärts, insofern sind die Voraussetzungen für ein gutes 2018 meiner Meinung nach deutlich besser als auch schon.

Die Politik und grössere Konflikte auf der Welt könnten doch einen Streich spielen.
Das ist so. Es ist im Moment alles sehr instabil. Die geopolitische Lage kann schnell alles verändern. Aber in Europa, in den USA oder auch in Asien ist derzeit ein deutlicher wirtschaftlicher Aufschwung spürbar. Das stimmt einen auch für die Schweiz zuversichtlich. Der Franken ist zwar nach wie vor überbewertet, hat sich aber über die letzten Monate deutlich abgeschwächt und stützt meine Zuversicht für 2018.

Was verbindet Sie heute noch mit dem Kanton Schwyz?
Wangen ist mein Heimatort. Die Jugend habe ich in Rapperswil-Jona verbracht, jetzt wohne ich in Hombrechtikon. Meine Mutter und das Gros meiner Verwandten wohnen in der March. Deshalb bin ich sicher ein- bis zweimal pro Woche im Kanton Schwyz unterwegs. Im Winter auch ab und zu auf einer Skitour im Wägital.

Das Interview mit Valentin Vogt ist im Höfner Volksblatt erschienen.