Europa als Schicksalsfrage für die Schweizer Wirtschaft

2. Juli 2015 Medienmitteilungen

Die wichtigste politische Frage, welche die Schweiz in den nächsten Jahren klären muss, ist ihr Verhältnis zu Europa. Dieser Schicksalsfrage widmete sich der ARBEITGEBERTAG 2015. Die Arbeitgeber-Präsidenten der Schweiz und Deutschlands hielten in ihren Referaten übereinstimmend fest, dass die Europäische Union die besonders hohe Zuwanderung in die Schweiz in eine Lösungsfindung einbeziehen muss.

Der diesjährige ARBEITGEBERTAG fand in Bern unter dem Motto «Die Schweiz in der Mitte Europas» statt. Dass die Schweiz mit der Geschichte und dem Schicksal Europas untrennbar verbunden ist, machte Valentin Vogt, der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV), in seiner Ansprache gleich zu Beginn deutlich. In seiner Standortbestimmung schlug er den Bogen zum gegenwärtig getrübten Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Dessen Klärung sieht er als die wichtigste politische Frage der nächsten Jahre an. «Für die Gestaltung stabiler Beziehungen ist die Einsicht essenziell, dass die Partnerschaft mit Europa – nicht der Alleingang – den Erfolg der Exportnation Schweiz ausmacht», sagte Vogt.

Darum bekennt sich die Wirtschaft unmissverständlich zu den bilateralen Verträgen mit der EU. Sie wahren die Interessen der Schweiz weit umfassender als etwa ein Freihandelsabkommen. Ein solches Abkommen würde Rückschritte unter anderem im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Produktevorschriften bedeuten, aber auch bei den öffentlichen Beschaffungen, im Luftverkehr mit der derzeitigen Gewährung der Verkehrsrechte oder bei verschiedenen Kooperationsabkommen. Dem vermeintlichen Charme eines Neubeginns der Beziehung zu Europa zum Trotz dürfte in der Schweiz der entscheidende politische Durchhaltewille sowie in der EU die Bereitschaft fehlen, sich auf einen über Jahre hinziehenden Prozess mit unbestimmtem Ausgang einzulassen.

Unterstützung aus Deutschland

Aus diesen Gründen plädierte Valentin Vogt für den Weg der bewährten Integrationsform, der eine Gesamtschau zugrunde liegt. Er gratulierte dem Bundesrat zu seinem jüngsten Entscheid, mit der EU mehrere Themen gleichzeitig zu verhandeln, und erhofft sich nunmehr einen grösseren Spielraum zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, welche die Wirtschaft mit einer Schutzklausel erreichen will. Um den gesamtwirtschaftlichen Interessen darüber hinaus Rechnung zu tragen, forderte der Arbeitgeber-Präsident mit Nachdruck, dass EU-/Efta-Bürger, die sich bis zu zwölf Monate für eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten, sowie Grenzgänger von der Kontingentierung auszunehmen sind. Zudem erfordert eine praxistaugliche Handhabung der Zuwanderungsbegrenzung, den Inländervorrang bereits bei der Festlegung der Höchstzahlen und Kontingente zu berücksichtigen. Damit wird der Aufwand für Unternehmen und Behörden und auch das Konfliktpotenzial gegenüber dem Freizügigkeitsabkommen deutlich verringert. Schliesslich verlangt der SAV als Vertreter der Sozialpartner eine vollwertige Mitgliedschaft in der Zuwanderungskommission, um die Bedürfnisse der Unternehmen einbringen zu können.

Als Gastreferent lobte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die flexible und anpassungsfähige Schweizer Wirtschaft, in der die Unternehmen pragmatisch und kreativ auf die Aufwertung des Frankens reagierten. Er pflichtete zwar der EU bei, wenn sie immer wieder deutlich auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit als zentralen Bestandteil des Europäischen Binnenmarkts verweist. «Die EU muss aber auch berücksichtigen, dass die Zuwanderung in die Schweiz um ein Vielfaches höher ist als jene in die Mitgliedstaaten der EU», sagte der deutsche Arbeitgeber-Präsident. Deshalb setzt sich die BDA dezidiert dafür ein, dass die EU mit der Schweiz einen konstruktiven Lösungsansatz entwickelt, der beiden Seiten gerecht wird.

Wider eine Lohnpolizei

Der Schweizerische Arbeitgeberverband präsentierte an seiner Jahresveranstaltung eine unabhängige Studie zu Lohnunterschieden. Sie belegt, dass Salärstatistiken die Realität unpräzise abbilden. So werden entscheidende Kriterien wie die effektive Berufserfahrung und Weiterbildungen nicht oder nur ungenügend berücksichtigt, was stark verzerrend wirkt. Eine genauere, praxistaugliche Verfeinerung wäre, wenn überhaupt, für die Unternehmen mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden. Auf einer solch untauglichen Grundlage machen hoheitliche Interventionen keinen Sinn. Die Arbeitgeber fordern darum einen generellen Verzicht auf standardisierte Lohnkontrollen. Hingegen unterstützen sie die bestehenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten, wonach Geschädigte auf betrieblicher Ebene lohndiskriminierende Praktiken einklagen können.

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