Den Arbeitsmarkt stärken, die Sozialwerke sanieren

30. Juni 2010 Medienmitteilungen

Die Schweiz hat die Krise gut gemeistert. Sie darf aber ihre Erfolgsposition nicht durch Einschränkungen der Arbeitsmarktfreiheit gefährden und muss die nötigen Sozialversicherungsreformen anpacken. Das betonte Verbandspräsident Dr. Rudolf Stämpfli am ARBEITGEBERTAG in Bern. Er plädierte engagiert für die Revision der Arbeitslosenversicherung und rief die Gewerkschaften zur konstruktiven Mitarbeit bei den Sozialversicherungsreformen auf. Bundespräsidentin Doris Leuthard thematisierte in ihrem Gastreferat die staatlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Wohlstand von morgen. UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger thematisierte in seinem Referat das Verhältnis zwischen KMU, Staat und Grosskonzernen.

Am ARBEITGEBERTAG in Bern setzte Arbeitgeberpräsident Dr. Rudolf Stämpfli einen deutlichen Kontrapunkt zur verbreiteten Negativ-Stimmung in der Schweiz. Auch wenn ihre Exportindustrie stark vom Einbruch der Weltmärkte getroffen worden sei, habe sich die Schweiz insgesamt viel besser durch die Krise geschlagen als vergleichbare Länder. Stämpfli sieht die Schweiz für den Aufschwung gut gerüstet, auch wenn die Erholung von einer weiteren Aufwertung des Frankens oder von den Auswirkungen der hohen Staatsverschuldung in Europa wieder in Frage gestellt werden könnte.

Weil diese Risiken ausserhalb des schweizerischen Einflussbereichs liegen, ist es für Stämpfli besonders wichtig, dass die Schweiz ihre Standortstärken nicht aufs Spiel setzt und die Lösung anstehender Probleme ohne Verzug an die Hand nimmt. Aus arbeitgeberpolitischer Sicht warnte er vor allem vor den Angriffen auf den freien und offenen Arbeitsmarkt sowie vor dem Reformstau bei den Sozialversicherungen.

Für einen freien Arbeitsmarkt
Der Arbeitgeberpräsident erteilte den gewerkschaftlichen Forderungen nach einer zusätzlichen Regulierung von Personalabbau-Massnahmen eine klare Absage. Sie gefährdeten die Flexibilität der Unternehmen beim Einsatz der personellen Ressourcen und bremsten ihre Bereitschaft zu Neueinstellungen. Der Arbeitgeberverband werde auch die Mindestlohn-Initiative des Gewerkschaftsbunds und der SP bekämpfen, weil gesetzliche Mindestlöhne zulasten der Beschäftigung gingen. Leidtragende wären ausgerechnet schlecht qualifizierte Personen, die aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt würden. «In einer Gesellschaft, die sich in hohem Masse über die Arbeit definiert, gefährden Mindestlöhne damit grundlegende soziale Werte.»

Stämpfli erinnerte an den guten Leistungsausweis des schweizerischen Arbeitsmarkts mit einer starken Erwerbsbeteiligung, hohen Löhnen und relativ geringen Lohnunterschieden. Diese Performance dürfe nicht mit neuen gesetzlichen Regulierungen beeinträchtigt werden. Das gelte auch für die Initiative «1:12 für gerechte Löhne» der Jungsozialisten. Stämpfli ermahnte allerdings seine Arbeitgeberkollegen, dass sie ihre lohnpolitische Freiheit nicht ohne Rücksicht auf das gesellschaftliche Umfeld ausüben dürften. «Provozieren wir also nicht eine Entwicklung, die uns in ein Korsett von staatlichen Lohnvorschriften, Boni-Steuern und dergleichen führt.»

Für einen offen Arbeitsmarkt mit Personenfreizügigkeit
Mit aller Entschiedenheit wies der Arbeitgeberpräsident die politischen Angriffe auf die Personenfreizügigkeit mit der EU zurück. Es sei wirtschaftsfeindlich, den freien Personenverkehr immer wieder mit unbelegten, plakativen Behauptungen in Frage zu stellen. Die Fakten seien klar: selbst in der Rezession habe die Zuwanderung insgesamt keine negativen Folgen für die Beschäftigung, die Löhne oder die Finanzierung der Sozialwerke gehabt. Dagegen habe das Arbeitskräfte-Angebot eine deutliche Stärkung erfahren, die sich positiv auf das langfristige Wachstum auswirken werde.

Für die dringende Revision der Arbeitslosenversicherung
Stämpfli setzte sich nachdrücklich für die Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) ein, welche am 26. September zur Abstimmung kommen wird. Die ALV sei hoch verschuldet und leide unter einem strukturellen Defizit von rund CHF 1 Milliarde. «Dieses muss unbedingt beseitigt werden, wenn wir auch in Zukunft auf eine leistungsfähige und solide finanzierte ALV zählen wollen». Die Vorlage sei arbeitsmarktökonomisch sinnvoll und sozialpolitisch angemessen. Die Kombination von Beitragserhöhungen (CHF 646 Mio.) und Leistungskorrekturen (CHF 622 Mio.) sei ausgewogen, und die Besserverdienenden bezahlten ein zusätzliches Solidaritätsprozent. Die Revision beseitige Fehlanreize und stärke das Versicherungsprinzip sowie die Eigenvorsorge, nehme dabei aber Rücksicht auf die Arbeitsmarktchancen und die sozialen Verpflichtungen der Betroffenen.

Auch nach der Revision bleibe die ALV ein gutes Instrument zur Deckung der Arbeitsmarktrisiken. Die Gegner der Vorlage nehmen laut Stämpfli drastische Zusatzbelastungen der Beitragszahler in Kauf. Würde die Revision abgelehnt, dann müssten die Beiträge um mehr als das Doppelte als bei einer Annahme angehoben werden.

Für die nachhaltige Finanzierung der Sozialwerke
Stämpfli betonte, dass auch bei anderen Sozialwerken Reformbedarf bestehe. Angesichts der milliardenschweren Defizite und Schulden sei eine Sanierungs- und Konsolidierungsstrategie unabdingbar. Dabei gehe es der Wirtschaft nicht um den Abbruch des Sozialstaates: «Im Gegenteil: Wir wollen Verantwortung für die soziale Sicherheit übernehmen und tragen dafür nötigenfalls auch Massnahmen mit, die in unseren eigenen Reihen unpopulär sind.» Deshalb akzeptiere der Schweizerische Arbeitgeberverband auch den Kompromissvorschlag des Ständerats für eine 11. AHV-Revision mit sozial abgefederten Frühpensionierungen.

Kritik übte der Arbeitgeberpräsident an der Verweigerungshaltung von Gewerkschaften und Linksparteien, die jede Sparmassnahme oder Leistungskorrektur als Ausdruck von Sozialabbau zurückweisen. Er forderte sie auf, zu sozial- und wirtschaftsverträglichen Lösungen beizutragen: «Verlassen Sie die Schützengräben der Besitzstands-Verteidigung, beteiligen Sie sich konstruktiv an den nötigen Reformen.»

Auftritte von Bundespräsidentin Leuthard und UBS-Verwaltungsratspräsident Villiger
Bundespräsidentin Doris Leuthard hielt in ihrem Gastreferat zum Thema «Fit für die nächste Runde » fest, es sei Aufgabe des Staates, die Rahmenbedingungen richtig zu setzen. Dazu gehörten etwa strengere Massnahmen zu Eigenmitteln, Liquidität und Risikoverteilung bei Finanzinstituten, eine stabile Arbeitslosenversicherung und sichere Sozialwerke sowie Anreize zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. «Wir müssen heute die Grundlagen für die Jobs und damit den Wohlstand von morgen schaffen.» Dazu dienten zum Beispiel neu geschaffene Exportplattformen für zukunftsträchtige Bereiche (Cleantech, Medtech, Ingenious Switzerland).

UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger erörterte in seiner Rede die Rollen von Staat und Wirtschaft. Er zeigte u.a. auf, dass sich Werk- und Finanzplatz gegenseitig nützen und dass nur das Zusammenwirken von Staat, KMU und Grosskonzernen die Stärke der Schweiz erhält. Dabei seien die Grossbanken mit ihrer auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnittenen Dienstleistungspalette wichtig. Kaspar Villiger unterstrich die Bereitschaft der UBS zum Dialog mit den Regulatoren. Nur mit den Grossbanken gebe es einen starken Finanzplatz. Die Kosten einer überhasteten und unproportionalen regulatorischen Verschärfung hätte die gesamte Schweizer Wirtschaft zu tragen.