10vor10 schlägt Tagesschau

25. August 2015 Meinungen

«Frauen verdienen über 20 Prozent weniger als die Männer.» Das waren die landesweiten Schlagzeilen in den Medien, als das Bundesamt für Statistik am vergangenen Freitag seine nachgeführte Lohnstatistik veröffentlichte. Das Seufzen ob der raffgierigen Männer, die sich noch immer unverhohlen das beste Stück vom Lohnkuchen abschneiden, muss gross gewesen sein in den Redaktionsstuben. Das mag wohl erklären, warum die gute Nachricht, dass die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern geringer geworden sind, erst im Kleingedruckten zu lesen war.

Dass der Schweizerische Arbeitgeberverband über die Gewichtung der Fakten nicht ganz glücklich war, soll hier nicht verschwiegen sein, ist aber letztlich unerheblich in einem Land freier Medien. Meinungsfreiheit muss man aushalten können, auch wenn es weh tut.

Still zu sitzen, ist aber weitaus schwieriger, wenn handwerklich gepfuscht wird. In dieser Hinsicht hat sich die Tagesschau, das noch immer reichweitenstärkste Flaggschiff unseres öffentlichen Rundfunks, kein Ruhmesblatt verdient. In der Tagesschau-Hauptausgabe verstieg sich News-Anchor Franz Fischlin gleich zu Beginn des Berichts über die gesunkenen Lohnunterschiede zur Behauptung, es zeige sich ein «beinahe schon historisches Ungleichgewicht». Doch es kam noch dicker. Untermalt von einer Grafik wurde dem Zuschauer pauschalisierend weisgemacht: «Im Jahr 2012 erhielten Frauen für die gleiche Arbeit 21,3 Prozent weniger Lohn als Männer.» Richtig ist vielmehr, dass dieser Wert die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern, nicht aber für gleiche Arbeit ausweist. Unfreiwillig humoristisch wurde es dann, als die Tagesschau-Macher einen Archivbeitrag aus den 1960er Jahren hineinschnitten, mit dem sie die hartnäckigen jahrzehntealten Lohnunterschiede illustrieren und erklären wollten. Nicht fehlen durften im Beitrag offenbar auch die SP und Gewerkschaften, die bekanntlich mit einer Lohnpolizei ausrücken und in einem Feldzug gleichen Lohn für alle verordnen wollen. Zu schlechter Letzt wurde wieder in die Mottenkiste gegriffen, damit ein älterer Herr in schwarzweissen Bildern (das Frauenstimmrecht war noch nicht erstritten) ein reichlich gönnerhaftes, um nicht zu sagen frauenfeindliches Urteil über ebenso tüchtige wie günstige Frauen abgeben konnte.

Entweder sind hier jemandem die Pferde durchgebrannt oder es wurde schludrig gearbeitet.

Es ist eklatant: Diesem Beitrag fehlt es an Faktentreue, kluger Einordnung und fairer Ausgewogenheit. Entweder sind hier jemandem die Pferde durchgebrannt oder es wurde schludrig gearbeitet. Beides stellt dem Qualitätsjournalismus ein schlechtes Zeugnis aus und sollte im Leutschenbach zu denken geben.

Dass es im selben Medienhaus auch besser geht, demonstrierte gleichentags die Redaktion von 10vor10. In ihrem Beitrag vermieden die Journalisten nicht nur den Fehler, die in der Salärstatistik ausgewiesenen Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern reduktionistisch auf ungleiche Entschädigung für gleiche Arbeit zurückzuführen. Sie gingen zudem der Frage nach, was rein statistisch nicht messbare Lohnunterschiede sein könnten. Und sie erklärten, was Betroffene dagegen tun können – übrigens mit Ratschlägen einer Frau aus dem Hier und Jetzt.